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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Literaturhinweise und Erläuterungen

Literaturhinweise und Erläuterungen

Zugänge und Bestand

In der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden für die verschiedenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente monatliche Zugangs- und Bestandszahlen veröffentlicht. Die Messung der monatlichen Zugänge stellt dabei eine Summe aller Zuweisungen innerhalb eines genau definierten Zeitraums dar, während es sich bei dem Bestand um den Wert zu einem bestimmten Stichtag handelt. Innerhalb eines Monats kann eine teilnehmende Person mehrfach gezählt werden, daher entspricht die Zahl der Zuweisungen nicht genau der Zahl der insgesamt neu eingetretenen Teilnehmenden. Aus den monatlichen Beständen lassen sich Jahresdurchschnittswerte berechnen, die einen Vergleich mehrerer Jahre miteinander ermöglichen. Für einen Vergleich der Zuweisungen kann hingegen auch ein Jahresfortschrittswert oder eine Jahressumme der einzelnen Monate gebildet werden, bei dem die Zuweisungen addiert werden. Allerdings besteht auch hierbei wieder die Problematik, dass Teilnehmende unter Umständen mehrfach gezählt werden.

Weitere Informationen dazu finden Sie im Qualitätsbericht zur Förderstatistik der BA hier:
https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Grundlagen/Methodik-Qualitaet/Qualitaetsberichte/Generische-Publikationen/Qualitaetsbericht-Statistik-Massnahmen-Teilnehmer-Arbeitsfoerderung.pdf

Das Teilhabechancengesetz (THCG) ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten und besteht aus einer Neufassung von §16e SGB II sowie der Einführung eines neuen Förderinstruments mit §16i SGB II.

§16e SGB II „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ ist eine Neufassung des ehemaligen §16e SGB II „Förderung von Arbeitsverhältnissen“. Die EVL richtet sich an Erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Hartz-IV-Bezug. In der Neufassung von §16e SGB II wird auf die Feststellung von zwei „in der Person liegenden Vermittlungshemmnissen“ verzichtet und stattdessen zweijährige Arbeitslosigkeit als Zugangsvoraussetzung festgelegt. Förderfähig sind ausschließlich sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Bei der EVL erhalten Arbeitgeber über zwei Jahre einen gestaffelten Lohnkostenzuschuss. Dieser beträgt im ersten Jahr der Förderung 75 Prozent und im zweiten Jahr 50 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts. Zusätzlich sollen Teilnehmende während der Förderung eine „ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung“ erhalten. Diese kann sowohl durch die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Jobcenter selbst, als auch durch beauftragte Dritte erbracht werden. Das Coaching wird nicht in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst.

Weitere Informationen zu Förderungen nach §16e SGB II finden Sie in den fachlichen Weisungen hier:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba013452.pdf

§16i SGB II „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (TaAM) ist vorerst mit einer Befristung bis zum 31.12.2024 versehen. Bei einer Förderung mit der TaAM erhalten Arbeitgeber fünf Jahre lang einen abfallenden Lohnkostenzuschuss für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einer Person im Bezug von Hartz-IV-Leistungen, die in den letzten sieben Jahren mindestens sechs Jahre lang Hartz-IV-Leistungen bezogen hat, währenddessen nur kurzfristig beschäftigt war und älter als 25 Jahre ist. Sonderregelungen gelten für Menschen mit einer Schwerbehinderung und Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit mindestens einer minderjährigen Person leben. Sie erfüllen mit fünf aus sechs Jahren Leistungsbezug die Voraussetzung zur Förderung. Teilnehmende, die bereits eine geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ ausgeübt haben, sind nicht von der TaAM ausgeschlossen. Die Beschäftigungszeit im Bundesprogramm wird jedoch auf die maximale Förderdauer angerechnet.

Der Lohnkostenzuschuss in der TaAM ist degressiv ausgestaltet und wird für längstens fünf Jahre gewährt. Er beträgt in den ersten beiden Jahren 100 Prozent des Bruttoentgelts abzüglich der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und sinkt anschließend jährlich um jeweils 10 Prozentpunkte bis auf 70 Prozent im fünften Jahr ab. Der Lohnkostenzuschuss ist auf Höhe des Tariflohns oder der kirchlichen Vergütungsgruppen begrenzt. Die Kriterien der Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität und Gemeinnützigkeit müssen bei Beschäftigungen im Rahmen des THCG nicht erfüllt werden. Dadurch werden gleichermaßen private, öffentliche und gemeinnützige Arbeitgeber einbezogen. Aktuell ist eine Betrachtung der Arbeitgeberstruktur in der BA-Statistik nicht möglich. Bisherige Einschätzungen der Thematik beruhen auf freiwilligen Befragungen der Arbeitgeber und differenzieren zwischen kirchlichen, privaten und öffentlichen Arbeitgebern, wobei es noch keine Auskunft über die Methodik und Repräsentativität dieser Befragungen gibt.

Wie in der EVL ist auch für Teilnehmende der TaAM eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung vorgesehen, die von der Bundesagentur für Arbeit bzw. das Jobcenter selbst oder von beauftragte Dritten durchgeführt wird. Der Umfang des Coachings soll dabei individuell festgelegt werden. Ebenfalls wird das Coaching nicht in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst. Während der Förderung in der TaAM können außerdem Weiterbildungskosten in einer Höhe bis zu 3.000 Euro übernommen werden.

Weitere Informationen zu Förderungen nach §16i SGB II finden Sie in den fachlichen Weisungen hier:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba040168.pdf


Geförderte Beschäftigung

Im Hartz-IV-System stehen verschiedene Varianten der Förderung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zur Verfügung.

Geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen (Jahresdurchschnittswerte)

 

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019*

insgesamt

24.127

29.069

20.120

15.266

13.269

12.264

10.651

12.540

15.753

15.337

15.384

Förderung von Arbeitsverhältnissen

0

0

0

307

1.293

1.942

1.860

1.887

1.767

1.585

1.065

Beschäftigungsphase Bürgerarbeit

0

0

850

2.623

-2.728

1.635

0

0

0

0

0

Beschäftigungszuschuss

9.690

10.867

5.856

3.025

2.267

1.942

1.737

1.386

1.219

1.044

903

Eingliederungszuschuss

14.437

15.201

13.413

9.311

6.981

6.746

6.851

6.418

6.210

6.029

5.988

BuPro Soziale Teilhabe

0

0

0

0

0

0

79

1.211

3.424

4.766

0

BuPro Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter

0

0

0

0

0

0

124

1.638

3.133

1.912

418

Teilhabe am Arbeitsmarkt

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

6.035

Eingliederung von Langzeitarbeitslosen

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

976

*November und Dezember 2019 vorläufig und hochgerechnet

Quelle

Bundesagentur für Arbeit, verschiedene Dokumente.

Aktuell können sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse neben den Instrumenten des THCG auch mit einem Eingliederungszuschuss (EGZ) nach §88 SGB III gefördert werden. Der Eingliederungszuschuss ist ein Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber, der eine Minderleistung der Beschäftigten wegen „in ihrer Person liegender Gründe“ ausgleichen soll. Der Lohnkostenzuschuss kann bei unter 50-jährigen Beschäftigten für längstens zwölf Monate und bei über 50-jährigen Beschäftigten für längstens 36 Monate gewährt werden. Die Höhe liegt bei maximal 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts.

In der Vergangenheit waren außerdem folgende andere Förderungen möglich: der Beschäftigungszuschuss (BEZ), der 2012 gemeinsam mit den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante zum neuen Instrument „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ (FAV) in §16e SGB II zusammengefasst wurde, die Bürgerarbeit von 2011 bis 2014 und schließlich die Bundesprogramme zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter und Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt. Nicht berücksichtigt in der hier verwendeten Aufstellung ist der Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen nach §90 SGB III.

Das Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter richtete sich an Personen, die seit mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechung arbeitslos sind, und sollte ihnen Beschäftigung in privatwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen. Finanziert wurde das Programm mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Das Programm endete zum 31.12.2018, allerdings befinden sich noch aktive Förderfälle in der Restabwicklung.

Das Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter richtete sich an Personen, die seit mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechung arbeitslos sind, und sollte ihnen Beschäftigung in privatwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen. Finanziert wurde das Programm mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Das Programm endete zum31.12.2018, allerdings befinden sich noch aktive Förderfälle in der Restabwicklung.

Das Bundesprogramm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt richtete sich an über 35-Jährige, die mindestens vier Jahren Hartz-IV-Leistungen bezogen und in dieser Zeit nicht oder nur kurz selbstständig oder abhängig beschäftigt waren. Zudem mussten sie gesundheitliche Probleme aufweisen und/oder mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Gefördert wurden sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für zusätzliche, wettbewerbsneutrale und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten. Das Arbeitsentgelt auf Mindestlohnniveau wurde zu 100 Prozent vom Jobcenter übernommen. Die Teilnehmenden erwarben während ihrer Beschäftigung aber keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III (Arbeitslosengeld I).


Zielgruppe

Insgesamt richtet sich das Teilhabechancengesetz an langzeitarbeitslose und im Falle der Teilhabe am Arbeitsmarkt an „sehr arbeitsmarktferne“ Personen. Verschiedene Faktoren erschweren die Aufnahme einer Beschäftigung und gelten als „Vermittlungshemmnisse“. Hierzu zählen gesundheitliche Einschränkungen, fehlende berufliche Qualifikationen, ein Alter über 50 Jahren, fehlende Sprachkenntnisse, Sorgeverantwortung für Kinder und/oder pflegende Angehörige und zuletzt die Langzeitarbeitslosigkeit an sich.

Der Anteil der Personen ohne Berufsabschluss unter den Teilnehmenden liegt bei mehr als der Hälfte. Laut einem Bericht der BA zu den Instrumenten des THCG entspricht der bundesweite Anteil von Personen ohne Berufsabschluss in etwa der Qualifikationsstruktur der Arbeitslosen. Allerdings trifft dies nicht auf das Land NRW zu: Hier hatten zum Jahresende 2018 knapp drei Viertel der Arbeitslosen im Hartz-IV-System keinen Berufsabschluss.

Während sich das Instrument EVL an alle Leistungsbeziehenden im Hartz-IV-System richtet, die seit mindestens zweit Jahren arbeitslos sind, gibt es in der TaAM erleichterte Zugangsbedingungen für Personen, die mit Kindern zusammenleben, und Menschen mit einer Schwerbehinderung. Die Sorgearbeit in der Familie wird zumeist von Frauen übernommen. Für diese könnte daher eine Förderung insbesondere mit der TaAM die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt verbessern.

Allerdings zeigen die ersten Auswertungen der Teilnehmerstruktur in den Instrumenten, dass Frauen sowohl in der EVL aber auch in der TaAM deutlich unterrepräsentiert sind. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des THCG machten Frauen mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der Langzeitleistungsbezieher im Hartz-IV-System aus. Der Frauenanteil unter den offiziell (Langzeit-)Arbeitslosen ist etwas geringer, was zum Teil aber durch Sonderregelungen für Erziehende und Pflegende verursacht wird. In jedem Fall liegt der Frauenanteil in den beiden Instrumenten aber deutlich unter den Frauenanteil an Leistungsberechtigten und Arbeitslosen im SGB II.

Frauen im SGB II in Nordrhein Westfalen (Dezember 2018)

 

Gesamt

Männer

Frauen

Frauenanteil

in Prozent

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte

1.127.721

554.597

573.111

50,8

Langzeitleistungsbezieher

796.567

380.017

416.542

52,3

Arbeitslose im SGB II

438.043

236.288

201.755

46,1

Langzeitarbeitslose im SGB II

231.782

121.548

110.234

47,6

Quelle

Bundesagentur für Arbeit, verschiedene Dokumente.

Diese Problematik beschränkt sich nicht ausschließlich auf das Land Nordrhein-Westfalen, sondern ist bundesweit zu beobachten. Die BA weist jedoch in ihrem Bericht „Arbeitsmarkt kompakt: Teilhabechancen auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt nach §§ 16e und 16i SGBII“ von Januar 2020 darauf hin, dass der Frauenanteil in den ostdeutschen Bundesländern deutlich höher ist.

Den Bericht der BA finden Sie hier:
https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistik-nach-Themen/Langzeitarbeitslosigkeit/generische-Publikationen/AM-kompakt-Teilhabechancen.pdf

Der Anteil von Schwerbehinderten an den Geförderten in NRW lag im Oktober 2019 in der EVL bei 2,9 Prozent und in der TaAM bei acht Prozent. Im Bundesland hatten zum Jahresende 2018 hatten 6,4 Prozent der Arbeitslosen im Hartz-IV-System eine Schwerbehinderung. Somit sind Menschen mit einer Schwerbehinderung in der TaAM, bei der für sie die erleichterten Zugangsbedingungen gelten, derzeit leicht überrepräsentiert, während sie in der EVL noch einen unverhältnismäßig kleinen Anteil der Geförderten ausmachen.