„Was die Kommunen entlasten soll, belastet die Geflüchteten“, kritisiert Christian Heine-Göttelmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen. Er warnt vor einer prekären Lage, der auch minderjährige Schutzbedürftige ausgesetzt sind. Kinder können weder eine Kindertagesstätte noch Schule besuchen und leben monatelang isoliert mit ihren Familien in den Landesunterkünften. Das verletze die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte, so Heine-Göttelmann.
Der neue NRW-Asylstufenplan sieht vor, die Landesunterbringung strukturell mit Abschiebung und geförderter Ausreise zu verbinden. Flüchtlinge aus „sicheren“ Herkunftsstaaten sollen bis zu zwei Jahre in den Landeseinrichtungen festgehalten werden – bis zu ihrer Ausreise oder Abschiebung. Alle anderen Flüchtlinge sollen erst nach sechs Monaten statt wie bisher nach drei Monaten auf die Kommunen verteilt werden.
„Schon jetzt erleben unsere Verfahrensberater, die Flüchtlinge bei ihren Asylanträgen in den Landesunterkünften begleiten, wie Frustration und Perspektivlosigkeit zu Konflikten und Gewalt führen“, erklärt Heine-Göttelmann. „Je länger eine Unterbringung dauert, desto mehr werden das Ankommen im Gemeinwesen und der Weg in Arbeit erschwert.“ Schließlich erhielten die Menschen in den Landesunterkünften keine Möglichkeit, die deutsche Gesellschaft kennenzulernen und erste Schritte der Integration zu gehen. „Sie haben dort keinen geregelten Tagesablauf, kaum Kontakt zur deutschen Bevölkerung und nehmen nicht an Sprachkursen oder sozialen Angeboten teil.“
Die Erfolgsquote von Klagen gegen mangelhafte Asylverfahren liegt bei rund 40 Prozent, dennoch müssen viele Flüchtlinge monatelang isoliert in den Zentralen Unterkünften leben, obwohl sie in Deutschland bleiben können. Hinzu kommt, dass zum 30. September 2017 allein in NRW knapp 265.000 der gekommenen Flüchtlinge aus politischen und humanitären Gründen bleibeberechtigt waren und nur 51.000 Menschen mit einer Duldung in NRW lebten. „Angesichts dieser Zahlen wäre es eher erforderlich, eine neue Kraftanstrengung zur Integration von Geflüchteten in NRW auszurufen“, betont der Vorsitzende. Anstelle des neuen Asylstufenplans sollte die Landesregierung den Kommunen mehr Mittel für die Integration zur Verfügung stellen.
Mit ihren zahllosen haupt- und ehrenamtlichen Initiativen tragen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in ganz NRW erheblich dazu bei, dass Flüchtlinge Zugänge zum Rechtssystem finden und in der Aufnahmegesellschaft neu beheimatet werden. „Flüchtlinge sind keine Last, sondern eine Bereicherung für den sozialen Zusammenhalt in unserem weltoffenen Bundesland“, betont Christian Heine-Göttelmann. „Diesen Asylstufenplan brauchen wir so nicht. Wir brauchen einen Integrations-Stufenplan, der Teilhabe für alle hier lebenden Menschen Wirklichkeit werden lässt.“