Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie warnen die Wohlfahrtsverbände vor allem vor einem weiter steigenden Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen. „Das erzwingt für viele Menschen ein Leben am Existenzminimum“, so Hensel. Nötig sei hier ein „verbindlicher und regelmäßiger wohnungspolitischer Austausch von Ämtern, Vermietern, Immobilienfachleuten und Sozialverbänden in den Kommunen, um zeitnah preiswerten Wohnraum verfügbar zu bekommen und zu halten“. Menschen in akuter und drohender Wohnungsnot müssen nach Auffassung der Wohlfahrtsverbände mehr begleitende Unterstützung erfahren, damit Mietschulden reguliert und Wohnungsverluste abgewendet werden können. Land und Kommunen müssten den sozialen Wohnungsbau wirkungsvoller fördern.
Die Armutsentwicklung, so LAG-Vorsitzender Hensel, ließe sich ablesen an nicht auskömmlichen Hartz-IV-Sätzen, am großen Niedriglohn-Bereich, den sehr ungleichen Bildungschancen und der sozialen Entmischung in Wohnquartieren. „Betroffene Kinder haben trotz des Bildungs- und Teilhabepakets kaum eine Chance, ihrer persönlichen Armutsfalle zu entkommen.“ Nach offiziellen Angaben lebt mehr als jedes fünfte minderjährige Kind in NRW in einem einkommensarmen Haushalt (22,6 Prozent).
Um die Bildungsgerechtigkeit zu stärken, seien individuelle Unterstützung und armutssensible Lernkonzepte nötig. Hensel: „Schulunterricht ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn es gelingt, möglichst viele Schülerinnen und Schüler mitzunehmen auf dem Weg zu den Lernzielen. Die Vermutung von allgemeinen Entwicklungsnachteilen durch eine pädagogische Orientierung an sozial benachteiligten und lernschwächeren Kindern darf den Bildungsgraben nicht immer weiter vertiefen.“
Hensel sieht die Politik in der Pflicht und kommt zu dem Schluss: „Armut ist kein Zufall, sie entwickelt sich vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Inkaufnahme. Einen anderen Rückschluss lassen die Ergebnisse des Sozialberichts NRW nicht zu.“
Die LAG Freie Wohlfahrtspflege hat sich mit einem eigenen Kapitel am Sozialbericht 2020 NRW beteiligt. Unter dem Titel „Armen eine Stimme geben“ kommen Betroffene zu Wort. Schwerpunktthema diesmal: die problematische Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Das LAG-Kapitel ist hier abrufbar:
www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/initiativen/armen-eine-stimme-geben
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an.