Ziel der Fachtagung war es, die Auswirkungen und Herausforderungen von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen auf das Engagement innerhalb und außerhalb von Einrichtungen und Vereinen der Freien Wohlfahrtspflege in den Blick zu nehmen. Dabei sollten die drei Perspektiven des Arbeitsausschusses Gesellschaftliche Teilhaben / Bürgerschaftliches Engagement und den beiden zugeordneten Fachausschüssen Freiwilligendienste und Sozialraum / Quartiersentwicklung als Fokus dienen.
70 Teilnehmende aus den Verbänden und Untergliederungen der 6 Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW diskutierten dabei intensiv miteinander.
Die Veranstaltung wurde eröffnet vom Vorsitzenden des Arbeitsausschusses Gesellschaftliche Teilhabe / Bürgerschaftliches Engagement Dr. Hasan Sürgit (DRK-Landesverband Westfalen-Lippe) und vom amtierenden Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW Hartmut Krabs-Höhler.
Beide betonten die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen und deren Auswirkungen auf das Engagement und die Engagierten. Dieses stellt nach wie vor ein wesentliches Fundament und Alleinstellungsmerkmal in den Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege dar.
In einem zweiten Schritt legte Dr. Serge Embacher vom BBE in seinem Vortrag einen kritischen Blick auf die wachsende Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Teilbereiche und Handlungsfelder. Ein besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Konsequenzen, Auswirkungen und Folgen für den Sozialstaat, die Zivilgesellschaft und die Freie Wohlfahrtspflege. Für den Sozialstaat sind die Folgen eine zunehmende Orientierung an Effizienz und Verwertbarkeit, der Abbau von Sozialleistungen und die Zunahmen von Bürokratisierung. In der Freien Wohlfahrtspflege schlägt sich dies in Form von Indienstnahmen / Verzweckung (Wohlfahrtsverbände als Konzerne) und einer wachsenden Monetarisierung des Ehrenamtes wieder.
Das Gebot der Stunde ist eine Restitution des Sozialen und der permanente Hinweis in Richtung Politik und Ministerien zu den negativen Auswirkungen und Ergebnisse dieser Entwicklung.
Prof. Dr. Siri Hummel von Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft hat in ihrem Input einen empirischen Blick auf die Entwicklung und Veränderung der Zivilgesellschaft und dem Engagement gerichtet. Neben einer weltweit zu beobachtenden Einschränkung der Zivilgesellschaft „civil shrinking spaces“ stand dabei die Verschiebung innerhalb der organisierten Zivilgesellschaft im Fokus der Darstellungen. Bei den rund 620.000 Vereine in Deutschland ist aktuell eine Stagnation zu beobachten. Für die Zukunft wird eine Abnahme von Vereinen erwartet. Daneben steht eine Zunahme von informellen Initiativen. In einer empirischen Studie des Maecenata Instituts wurden Vereine befragt, die sich aufgelöst haben. Als Hauptgrunde wurden der Mangel an Mitgliedern und Freiwillig Engagierten Menschen genannt. Ein weiterer Grund sind mangelnde Diversität und bürokratische Hürden.
Nach den beiden Vorträgen wurde in drei thematischen Workshop gearbeitet:
- Workshop 1: Veränderungen und Herausforderungen von Engagement in Verbänden und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege
- Workshop 2: Sozialraumund Quartier als Ort gesellschaftlicher Transformationsprozesse?
- Workshop 3: Freiwilligendienste im Spannungsfeld von Pflichtdienst, Fachkräftemangel und individueller Entwicklungschancen jungen Menschen in Zeiten gesellschaftlicher Transformation
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion mit Matthias Heidmeier (Staatssekretär im MAGS), Jan Holze (Vorstand der Stiftung DSEE), Stefanie Krause (Vorständig der lagfa NRW) und Dr. Hasan Sürgit.
Bei der Diskussion wurde deutlich, dass von allen Seiten der Wunsch besteht, Freiwilliges Engagement – noch stärker als bisher – zu fördern und sichtbar zu machen. Uneinigkeit bestand bei den Wegen und Mitteln, die dafür eingeschlagen und zur Verfügung gestellt werden müssen und können. Auf Seiten des Ministeriums liegt der Fokus auf dem Abbau von bürokratischen Hürden und bei der Schaffung von Formaten, die engagagierte Menschen zu einer größeren Sichtbarkeit verhelfen und dadurch eine Vorbildfunktion für anderen übernehmen können.
Die lagfa NRW sieht die größte Herausforderung in der Verbindung und dem Matching von Menschen die an einem Engagement interessiert sind und den bestehenden Strukturen der organisierten Zivilgesellschaft im Hinblick auf Möglichkeiten der Mitbestimmung, Partizipation und Gestaltungsspielräumen.
Hier ist auch die Freie Wohlfahrtspflege aufgerufen, die eigenen Strukturen und Handlungsfelder kritisch zu überprüfen, ob Sie (noch) zeitgemäße Rahmenbedingungen zu den veränderten Anforderungen und Wünschen von Engagierten gerecht werden können. Gleichzeitig wurde von Seiten der Freien Wohlfahrtspflege der Wunsch und die Forderung nach besseren Rahmenbedingungen und Ressourcen in den Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege zur Unterstützung und Begleitung von Engagierten gefordert.
Die Stiftung DSEE sieht sich ebenfalls schwierigen Zeiten gegenüber. Ein geplanter Aufwuchs der verfügbaren Fördermittel ist aufgrund der aktuellen Haushaltslage nicht realistisch. Dessen ungeachtet werden regelmäßig Programme und Förderlinien aufgelegt, die Vereinen und Einrichtungen die Chance dabei helfen sollen, sich auf die veränderten Bedarfe und Wünsche von Engagierten einzustellen. Aktuell wird ein Fond mit Privatkapital angelegt, der eine Anschlussfinanzierung und damit eine nachhaltige Absicherung für bereits über die DSEE geförderte Projekte bieten soll.