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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Kitas brauchen familiengerechten Arbeitsmarkt: Freie Wohlfahrtspflege NRW will Arbeitgeber stärker in die Pflicht nehmen

Düsseldorf, 19. April 2018. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wünschen sich 60 Prozent der Eltern in Nordrhein-Westfalen flexiblere und längere Öffnungszeiten der Kitas. Tatsächlich haben aber nur 22 Prozent nach 16:30 Uhr und 57 Prozent um 7 Uhr oder früher geöffnet.

Mit der derzeitigen Finanzierung, Personalausstattung und den von Eltern wählbaren Buchungszeiten von 25, 35 oder 45 Stunden sind längere Öffnungszeiten nach Ansicht der Freien Wohlfahrtspflege NRW nicht realisierbar. Ihre Verbände tragen gemeinsam rund 7.500 Kitas in Nordrhein-Westfalen.

„Wenn wir ein flexibles und bedarfsgerechtes Betreuungsangebot schaffen wollen, müssen wir zumindest die Buchungszeit von 25 Stunden endlich abschaffen“, sagt Heinz-Josef Kessmann, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Münster. Er tritt heute gemeinsam mit der sozialpolitischen Beauftragten der Diakonie RWL, Helga Siemens-Weibring, für die Freie Wohlfahrtspflege NRW im Landtag als Experte auf. 

Vor allem die Buchungszeit von 25 Stunden biete kaum Flexibilität, da in der Kita auch nur für diese Zeit Personal finanziert werde, betonen die beiden Kita-Experten. Anders sieht es bei einer Buchungszeit von 45 Stunden aus. Innerhalb dieses Zeitfensters können Eltern flexibler entscheiden, wann sie ihr Kind bringen und abholen. „Es ist sinnvoll, dieses Buchungsmodell auszubauen. Aber dafür muss mehr Geld ins System“, fordert Kessmann.

Helga Siemens-Weibring sieht beim Thema flexible Öffnungszeiten, die Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, auch die Arbeitgeber in der Pflicht. „In der Diskussion steht immer die unzureichende Betreuungssituation in den Kitas im Vordergrund. Die Verantwortung der Arbeitgeber für die zunehmend familienunfreundliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten kommt nur am Rande vor.“ Die Politik müsse stärker auf die Wirtschaft einwirken, damit der Arbeitsmarkt in Deutschland tatsächlich familiengerechter werde, fordert die sozialpolitische Beauftragte der Diakonie RWL.

Helga Siemens-Weibring sieht Unternehmen in der Pflicht, für ihre Mitarbeitenden mit Familie passende Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und sich auch für eine gute und verlässliche Betreuung zu engagieren. Sie sollten sich stärker an der Finanzierung von Kindergartenplätzen im eigenen Betrieb oder in Kitas am Firmenstandort beteiligen. So könnten mehr der dringend benötigten Kitaplätze in NRW entstehen.

Mit Blick auf das Wohl der Kinder müssten Regelungen geschaffen werden, die eine Betreuung des Kindes über neun Stunden täglich begrenzten, ergänzt Heinz-Josef Kessmann. Einzelfälle müssten gesondert geregelt werden, jedoch immer mit Blick auf das Kindeswohl. „Wenn wir über flexible Öffnungszeiten reden, sollten wir bedenken, was Eltern und Kinder wirklich wollen und dazu gehört es, mehr Zeit miteinander zu verbringen.“ Dafür sei es wichtig, nicht nur starre Betreuungsmodelle aufzulösen, sondern auch familienfreundlichere Arbeitszeiten zu schaffen.