»Die in unzähligen Sonntagsreden hochgeschätzte berufliche Kompetenz und Erfahrung unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger wird durch die Ergebnisse unseres aktuellen Arbeitslosenreports ad absurdum geführt«, kritisiert Ludger Jutkeit, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. »Dies ist für uns nicht hinnehmbar. Wir fordern eine wahrnehmbare Intensivierung der arbeitsmarktpolitischen Förderungen auch für Menschen über 50, und wir erwarten eine transparente Darstellung ihrer Situation.«
Prof. Dr. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz, das den Arbeitslosenreport in Kooperation mit der Freien Wohlfahrtspflege NRW erstellt, sieht in den Ergebnissen einen Trend bestätigt: »Seit langem beobachten wir, dass sich die Arbeitsmarktpolitik von den Älteren abwendet. Der hohe Anteil der Langzeitleistungsbezieher unter den Älteren macht deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.«
Fast 50.000 Ältere zählen nicht als arbeitslos
Im August 2014 registrierte die Bundesagentur für Arbeit (BA) für NRW 772.668 Arbeitslose. Diese Zahl bildet das Ausmaß der Arbeitslosigkeit jedoch nicht vollständig ab, denn etwa 180.000 faktisch Arbeitslose gingen nicht in die Statistik ein. Darunter sind rund 50.000 über 58-Jährige, die länger als zwölf Monate kein Jobangebot erhalten haben oder Arbeitslosengeld bzw. Hartz IV-Leistungen unter erleichterten Bedingungen beziehen. Diese erfasst die BA in der Unterbeschäftigungsstatistik und korrigiert so die monatlich verkündete Arbeitslosenzahl nach unten.
Immer mehr Leistungsbezieher über 50 Jahre
Im März 2014 gab es über 775.000 Hartz IV-Bezieher, die in den vergangenen 24 Monaten mindestens 21 Monate hilfebedürftig waren. Fast 238.000 von ihnen waren älter als 50 Jahre. Die Zahl der älteren Langzeitleistungsbezieher ist im Vergleich zum Vorjahresmonat außerdem um fast 3.000 Personen, also um 1,2 Prozent gestiegen.
Immer weniger arbeitsmarktpolitische Förderung für Ältere
Ältere Hartz IV-Empfänger erhalten kaum arbeitsmarktpolitische Förderung. Das belegen die Aktivierungsquoten der Bundesagentur für Arbeit, die aufzeigen, wie viele der potentiell förderbaren Personen tatsächlich an entsprechenden Maßnahmen teilnahmen: Im April 2014 lag die Aktivierungsquote von Hartz IV-Empfängern über 50 Jahre bei 5,9 Prozent, das entspricht jeder siebzehnten grundsätzlich förderfähigen Person dieser Altersgruppe. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Aktivierungsquote der über 50-Jährigen gesunken: Um 0,5 Prozentpunkte.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den »Arbeitslosenreport NRW«. Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und SBGII-Hilfequoten, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden.
Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarkt-Berichterstattung kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere die Situation in Nordrhein-Westfalen zu beleuchten.