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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Frühförderung von Kindern landesweit sichern!

Wohlfahrtsverbände in NRW legen Untersuchung zu Komplexleistung vor

Die ganzheitliche Frühförderung von Kindern mit einer (drohenden) Behinderung, die sogenannte Komplexleistung, wird erst in rund der Hälfte aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen  angeboten. Und das, obwohl bereits seit 2001 die gesetzliche Grundlage für diese Leistung vorliegt. Zudem gibt es landesweit erhebliche Unterschiede in der Qualität der Angebote. Das geht aus einer jetzt vorgelegten Untersuchung hervor. Die Wohlfahrtsverbände in NRW sehen nun die Politik in der Pflicht, einheitliche Standards und ein flächendeckendes Angebot zu sichern.

Das erfreuliche Ergebnis der jetzt veröffentlichten »Evaluation zur Umsetzung der Rahmenempfehlung Frühförderung in NRW« vorweg: Sowohl von den Familien, die die Leistung in Anspruch genommen haben, als auch von Kinderärzten und Kostenträgern wird die Komplexleistung positiv beurteilt. »Durch die aufeinander abgestimmten Leistungen gelingt es im Rahmen der Komplexleistung deutlich besser, den individuellen Förderbedarf eines Kindes zu erfassen und einen passgenauen und effektiven Förderplan zu erstellen«, so Dr. Heike Engel vom Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln. Das Institut hat die Untersuchung im Auftrag der Freien Wohlfahrtspflege NRW, des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales, des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter sowie der Kostenträger der Komplexleistung durchgeführt.

Allerdings, und auch das geht aus der Untersuchung hervor: Die Chancen darauf, dass ihr Kind eine Komplexleistung bekommt, stehen für Familien im Rheinland deutlich besser als für Familien in Westfalen-Lippe. Während im Rheinland in 77 % aller Kreise und kreisfreien Städte die Leistung angeboten wird, ist dies in Westfalen-Lippe bisher lediglich in 26 % der Fall. Denn bisher existiert in NRW lediglich eine »Empfehlung« dafür, wie die Komplexleistung vor Ort angeboten werden soll. Ob und wie das tatsächlich passiert, muss in jeder Kommune einzeln verhandelt werden. Die Untersuchung hat nun gezeigt, dass dies zu einer landesweit uneinheitlichen Angebotsstruktur führt, sowohl im Hinblick auf die landesweite Verbreitung als auch im Hinblick auf die Qualität der Leistung. »Es kann nicht angehen, dass die Frage, ob und wie ein Kind gefördert wird, vom Wohnort seiner Eltern abhängt«, sagt Hermann Zaum, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Und weiter: »Die Wohlfahrtsverbände in NRW fordern die Landesregierung daher auf, ihrer Steuerungsverantwortung für die Komplexleistung nachzukommen und landesweit einheitliche Mindeststandards in der Frühförderung festzuschreiben.«

Hintergrund:

Für Kinder, die eine Behinderung haben oder davon bedroht sind, ist es entscheidend, dass sie möglichst früh ganzheitlich gefördert werden und die einzelnen Fördermaßnahmen aufeinander abgestimmt sind. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgesetzgeber 2001 die Frühförderung für Kinder vom Säuglings- bis zum Schulalter neu geregelt und dabei die sogenannte Komplexleistung eingeführt.

Mit der Komplexleistung wurde ein Förderangebot geschaffen, dass heilpädagogische und medizinisch-therapeutische Leistungen sowie die Begleitung und Beratung der Eltern zusammenführt. Finanziert wird die Leistung durch die örtlichen Träger der Sozialhilfe und die Krankenkassen, für die Eltern ist sie kostenlos.

Näheres zur Ausgestaltung der Leistung und zu den Anforderungen an die Leistungsanbieter ist in der Landesrahmenempfehlung geregelt, die für NRW 2005 in Kraft trat. Darin ist festgeschrieben, dass die Komplexleistung in anerkannten Interdisziplinären Frühförderstellen (IFF) erbracht werden muss. Im Gegensatz zu Rahmenverträgen in anderen Bundesländern (z.B. Bayern und Sachsen) sieht die Rahmenempfehlung in NRW keine konkreten Vorgaben zur Personalausstattung und Kostenteilung zwischen den Leistungsträgern, sondern Verhandlungen auf örtlicher Ebene vor.

Aus Sicht der Wohlfahrtsverbände in Nordrhein-Westfalen muss die bisherige Landesempfehlung zu einer verbindlichen Landesrahmenvereinbarung fortgeschrieben werden. Darin sollen landesweit einheitliche Mindeststandards auf Basis der Erfahrungen — und der nun vorliegenden Untersuchung — festgeschrieben werden.

Die »Evaluation zur Umsetzung der Rahmenempfehlung Frühförderung in NRW« wurde im Rahmen einer Fachtagung der Freien Wohlfahrtspflege NRW am 25.01.2013 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen vorgestellt.