Münster, 21.09.2015. Mehr als jede zehnte erwerbsfähige Frau in Nordrhein-Westfalen muss Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen. Der aktuelle Arbeitslosenreport NRW belegt außerdem, dass jede Zweite von ihnen bereits länger als vier Jahre auf die Grundsicherung angewiesen ist, und Frauen in der Grundsicherung deutlich seltener als Männer wieder einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz finden.
„Politik und Arbeitgeber sind dringend gefragt, erwerbsfähige Hartz-IV-Empfängerinnen intensiver bei ihrer Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu unterstützen“, so Ludger Jutkeit, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. „Zu den notwendigen Maßnahmen gehören unter anderem angemessene Arbeitsbedingungen für Alleinerziehende, ausreichende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Schulkinder, das Abschaffen der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke durch gesetzliche Regelungen und die finanzielle Aufwertung sogenannter Frauenberufe.“
Im April 2015 bezogen 10,4 Prozent der erwerbsfähigen Frauen in NRW Leistungen aus der Grundsicherung; bei den erwerbsfähigen Männern waren es 9,8 Prozent. Frauen fällt es zu dem schwerer, aus der Hilfebedürftigkeit auszusteigen. Während mehr als jede zweite Hartz-IV-Empfängerin in NRW (51,2 Prozent) im Dezember 2014 schon vier Jahre und länger Leistungen bezog, lag der Anteil bei den Männern bei 45,1 Prozent.
Besonders schwer haben es alleinerziehende Frauen: Fehlende adäquate Arbeitsbedingungen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten verhindern oft ihre Integration in Arbeit. In NRW sind Alleinerziehende in neun von zehn Fällen Frauen. Im April 2015 bezogen rund 159.000 Alleinerziehenden-Haushalte in Nordrhein-Westfalen Hartz-IV-Leistungen, das waren fast die Hälfte (47 Prozent) aller Alleinerziehenden-Haushalte. Mit der Zahl der Kinder steigt das Risiko der Hilfebedürftigkeit: Alleinerziehenden-Haushalte, in denen zwei oder mehr Kinder unter 18 Jahren leben, waren zu über 57 Prozent hilfebedürftig.
Frauen in Hartz IV finden außerdem seltener Arbeit: Die so genannte Integrationsquote, die die Anzahl der Integrationen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im laufenden Monat in Relation zur Summe der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Vormonat setzt, lag bei den Frauen im April 2015 bei 1,2 Prozent. Zum Vergleich: Die Männer erreichten eine Quote von 2,4 Prozent.
Der aktuelle Arbeitslosenreport NRW zeigt, dass auch wenn das Frauenleben im 21. Jahrhundert von großer Vielfalt geprägt ist und an vielen Stellen auf Chancengleichheit geachtet wird, Frauen nach wie vor spätestens nach der Geburt des ersten Kindes schlagartig gegenüber Männern benachteiligt werden. Sie sind häufiger als Männer von Arbeitslosigkeit bedroht. Sie haben im Vergleich zu Männern Nachteile aufgrund der unzureichenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie stecken ihre beruflichen Ziele für Erziehungszeiten zurück und haben dann am Ende auch noch deutlich geringere Rentenansprüche. Bei geschiedenen oder alleinerziehenden Frauen verschärft sich die Lage noch. Deshalb fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW eine ernsthafte gleichstellungsorientierte Familien- und Arbeitsmarktpolitik auf Landes- und Bundesebene.
Hintergrund:
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für Nordrhein-Westfalen; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und SBGII-Hilfequoten, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter <link http: www.arbeitslosenreport-nrw.de>www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden.
Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarkt-Berichterstattung kritisch zu hinterfragen und dabei insbesondere die Situation in Nordrhein-Westfalen zu beleuchten.