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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Stellungnahme zur Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses

am 31. Oktober 2024 zum „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2025

(Haushaltsgesetz 2025 – HHG 2025) – Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 18/10300

Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen (LAG FW NRW) nimmt gerne die Möglichkeit zur Stellungnahme zum „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2025“ in der Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags NRW wahr.

 

Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege hat zu den Auswirkungen der Haushaltsplanung 2025 auf die Freie Wohlfahrtspflege und die soziale Infrastruktur in NRW bereits eine umfassende Broschüre ausgearbeitet, die als Grundlage der Stellungnahme dient¹.

Kürzungen gefährden die soziale Infrastruktur 

Der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung für 2025 sieht drastische Kürzungen im sozialen Bereich vor, die starke negative Auswirkungen auf die soziale Infrastruktur und die Angebote der Freien Wohlfahrtspflege haben werden. Nach unseren Berechnungen belaufen sich die geplanten Kürzungen auf nahezu 83 Millionen Euro. Diese Einschnitte werden zu einem erheblichen Abbau sozialer Dienstleistungen führen und schwächen die sozialen Strukturen, auf die viele Menschen in Nordrhein-Westfalen angewiesen sind. 

Dieser Haushaltsentwurf priorisiert die Einhaltung der Schuldenbremse und ordnet dieser Priorisierung präventive Maßnahmen zur Unterstützung von Familien und vulnerablen Gruppen sowie zur Stärkung der Armutsbekämpfung und gesellschaftlichen Teilhabe unter. Viele der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen – wie die Bekämpfung von Armut, Suchtprävention, und die Unterstützung für Menschen mit Behinderungen sowie älteren Bevölkerungsgruppen – werden durch diesen Haushalt nicht umgesetzt. Der Entwurf nimmt durch die vorgesehenen Kürzungen bewusst eine Schwächung der sozialen Integrationskräfte in Kauf. Gerade in Krisenzeiten, in denen die gesellschaftspolitischen Herausforderungen zunehmen, ist es umso wichtiger, ein stabiles soziales Netz zu gewährleisten. Die Einsparungen gefährden die gesellschaftliche Teilhabe zahlreicher Menschen und bedrohen damit auch den sozialen Zusammenhalt und die Stabilität unserer Demokratie. 

Alarmierend ist auch, dass selbst in Bereichen, die formal keine Kürzungen erfahren, das Fehlen notwendiger Budgeterhöhungen angesichts steigender Kosten praktisch einer Leistungskürzung gleichkommt. Bei einer zu erwartenden Personalkostensteigerung von fünf Prozent im Jahr 2025 ist es nicht möglich, bestehende Angebote mit gleichbleibenden Mitteln fortzuführen. 

Soziale Infrastruktur ist unverzichtbar – insbesondere in Krisenzeiten 

Die Bedeutung einer stabilen sozialen Infrastruktur hat sich in den vergangenen Krisen wie der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe, den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und den Herausforderungen durch Fluchtbewegungen eindrucksvoll gezeigt. In diesen Zeiten hat sich die Freie Wohlfahrtspflege als unverzichtbare Stütze der Gesellschaft erwiesen. Die sozialen Einrichtungen und Dienste haben maßgeblich dazu beigetragen, den Menschen in Nordrhein-Westfalen durch diese Krisen zu helfen und den sozialen Zusammenhalt zu bewahren.

Es ist daher umso ernüchternder, dass diese essenzielle Unterstützung nun durch drastische Kürzungen gefährdet wird. Anerkennende Worte allein reichen nicht aus – es braucht finanzielle Mittel, um diese wertvolle Arbeit weiterhin leisten zu können. Für die Mitarbeitenden, die sich täglich mit großem Einsatz und unter oft schwierigen Bedingungen für das Wohlergehen Anderer engagieren, ist es eine bittere Enttäuschung, zu sehen, dass ihre Arbeit einerseits als systemrelevant bezeichnet wird, es andererseits jedoch nicht zu den notwendigen finanziellen Erhöhungen kommt, sondern Kürzungen geplant sind. Dieses Vorgehen untergräbt das Vertrauen in die politische Wertschätzung ihrer Arbeit und demotiviert die, die sich bereits bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit engagieren. Die sich verschärfenden Rahmenbedingungen erschweren die Fach- und Arbeitskräftegewinnung angesichts eines bereits bestehenden gravierenden Fachkräftemangels.

Wir fordern die Landesregierung daher eindringlich auf, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen und die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die soziale Infrastruktur in NRW zu sichern. 

Einzelne positive Ansätze reichen nicht aus

Zwar gibt es im Haushaltsentwurf auch positive Ansätze, wie die Erhöhung der Mittel für die Ausbildung in Pflege- und Gesundheitsberufen sowie die Unterstützung der Kinderbetreuung in besonderen Fällen und das bürgerschaftliche Engagement². Diese begrüßen wir ausdrücklich. Doch bleiben viele Fragen offen, insbesondere zur Verwendung der zusätzlichen Mittel für das bürgerschaftliche Engagement, die bisher als nicht verbrauchte Selbstbewirtschaftungsmittel ausgewiesen sind. Diese positiven Einzelmaßnahmen können jedoch die weitreichenden negativen Effekte der Kürzungen nicht ausgleichen. 

Kürzungen bei den Zuwendungen an die Freie Wohlfahrtspflege: Ein falsches Signal

Besorgniserregend sind die Kürzungen bei den Zuwendungen an die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen sind der zentrale Akteur bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen und der Unterstützung von Bedürftigen. Sie tragen wesentlich zur sozialen Sicherung und zum sozialen Frieden bei, übernehmen sozialanwaltliche Funktionen und treten als Mittler zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern auf. Ihre Arbeit kann weder vom Staat noch von privat-gewerblichen Anbietern in gleicher Qualität ersetzt werden. Ein Staat, der die pluralen zivilgesellschaftlichen Kräfte, wie die Wohlfahrtsverbände, schwächt, verlagert große Teile der Daseinsvorsorge und der Leistungen, die durch die Wohlfahrtsverbände erbracht werden, in die öffentliche Hand. Das ist kurzsichtig und kostspielig. Dennoch sieht der Haushaltsplanentwurf 2025 eine Kürzung der Zuwendungen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales an die Arbeitsgemeinschaft von 6,1 Mio. Euro um 2,1 Mio. Euro auf 4 Mio. Euro (Globaldotation)³ vor. Dies entspricht einer Reduzierung um 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

Mit weniger Mitteln müssen die Verbände ihr Leistungsangebot drastisch einschränken sowie wichtige Projekte reduzieren. Dies trifft insbesondere vulnerable Gruppen, die auf Unterstützung der Wohlfahrtsverbände angewiesen sind. Die Erhöhung der Konzessionsmitteln um 565.100 Euro (4) fängt die Kürzung der Globaldotation sowie die nachfolgend aufgezeigten Kürzungen nicht auf.  

Kürzungen in der sozialen Unterstützungsstruktur

Die signifikantesten Kürzungen der sozialen Unterstützungsstruktur belaufen sich laut unserer Berechnungen auf insgesamt 26.761.009 Euro.  

Straffälligen- und Gefährdetenhilfe (5): Die vorgesehenen Kürzungen in Höhe von ca. 2,4 Mio. Euro haben einen Abbau der über Jahre gewachsenen und nachweislich funktionierenden Hilfestrukturen im Bereich Resozialisierung und Opferschutz zur Folge. Trägerschaften für Angebote in der Freien Straffälligenhilfe werden deutlich zurückgehen und es droht Abwanderung von Fachpersonal – Strukturen, die künftig nicht ohne weiteres wieder aufgebaut werden können. Gelingender Opferschutz und eine erfolgreiche Resozialisierung werden durch die Reduzierung erheblich gefährdet. Die Kürzung im Titel für Therapieangebote für Sexualstraftäter (6) wird voraussichtlich das Rückfallrisiko erhöhen. Die Umsetzung der durch die Kürzungen erforderlichen strukturellen und organisatorischen Veränderungen, ist kaum bis Jahresanfang realistisch. Es stellt sich zudem die Frage, wie diese Kürzungen mit den Schwerpunkten der inneren Sicherheit vereinbar sind. Einsparungen durch Kürzungen sind darüber hinaus fraglich, da Vermittlungsstellen für gemeinnützige Arbeit durch Haftvermeidung der Justizkasse von 2009-2023 nach Abzug der Fördermittel 1,8 Mio. Euro erspart haben. Werden die Kürzungen umgesetzt, stellt sich die Frage, in welchem Maße die Angebote weiter aufrechterhalten werden können. Beispielsweise haben allein im Jahr 2023 insgesamt über 4500 Menschen am Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen.  

Schuldnerberatungsstellen unterstützen Menschen, die durch starke Verschuldung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind. Die Fachberatung Schuldnerberatung unterstützt die Beratungsarbeit. Die Finanzierung dieser Leistung wird von 463.400 Euro auf 176.600 Euro gekürzt (7). Das bedeutet eine Reduktion um 62 Prozent. Ein wesentlicher Gedanke der Fach-beratung ist, dass nicht jede der gut 200 anerkannten gemeinnützigen Beratungsstellen und zahlreiche weitere Beratungsangebote die neusten Entwicklungen zu relevanten Themen (z.B. Insolvenzverordnung, EU-Verbraucherkreditlinie oder Anerkennungsrichtlinien für Verbraucherinsolvenzberatung) eigenständig verfolgen muss. Stattdessen erhalten sie Unterstützung durch die Fachberatung, bspw. durch Fortbildungen oder in Arbeitskreisen. Eine Reduzierung dieser Unterstützung bedeutet einen größeren Arbeitsaufwand für die einzelnen Beratungsstellen.  

Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen: Die geplanten Einsparungen von 1.899.100 Mio. in der Frauenhilfeinfrastruktur werden dazu führen, dass die dringend benötigten Angebote weder quantitativ noch qualitativ weiter ausgebaut werden können. Bestehende Angebote werden ihre Unterstützungsleistungen verringen müssen, da selbst die bisherige Finanzierung nicht auskömmlich ist und auch die Kommunen bereits angekündigt haben, ihre freiwilligen Leistungen einzuschränken bzw. auch komplett zu streichen. Die Suche nach einem Schutzplatz für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder stellt sich bereits jetzt als schwierig bis unmöglich dar und wird sich durch die geplanten Kürzungen extrem verschärfen. 

Geplante Kürzungen von insgesamt 2 Mio. Euro (8) treffen die Suchthilfe angesichts der steigenden Zahl der Drogentodesfälle, der zunehmenden Verelendung durch Crackkonsum, der Gefahr durch synthetische Opioide und der Herausforderungen, die mit der Teillegalisierung von Cannabis einhergehen, schwer. Laufende Projekte könnten abgebrochen werden, was die Si-tuation einer der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen gravierend verschärfen würde.  

Aids-Bereich: Die knapp 35-prozentige Kürzung von ca. 4,6 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro (9) wird die Umsetzung der mit dem Land geschlossenen Rahmenvereinbarung über die "Grundsätze zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung von Präventions- und Hilfemaßnahmen im Sucht- und AIDS-Bereich" nahezu unmöglich machen, zumal durch die jahrelange Stagnation der zur Verfügung gestellten Mittel die Erreichung der Ziele ohnehin deutlich in Frage stand.

Berufseinstiegsbegleitung: Kürzungen um fast 47 Prozent von 16,3 Mio. Euro auf knapp 8,7 Mio. Euro (10) betreffen Jugendliche, die ohne Unterstützung schlechtere Chancen auf eine Ausbildung haben. In NRW haben bereits jetzt mehr als ein Fünftel aller jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss - Tendenz steigend. Angesichts des Fachkräftemangels sind solche Einschnitte ein großer Rückschritt. 

Alter und Pflege

Eine Kürzung um rund 53 Prozent von knapp 13 Mio. Euro auf 6,07 Mio. Euro der Landesförderung für Alter und Pflege (11) wird den wachsenden Unterstützungsbedarfen älterer Menschen und deren Angehörigen nicht gerecht. Durch die Kürzung müssen Projekte und Initiativen zur Verbesserung der Lebenssituation älterer Menschen reduziert oder eingestellt werden. Das Ziel, der Verbleib in der eigenen Häuslichkeit, wird gefährdet, was zu einem späteren Zeitpunkt höhere Kosten, etwa durch stationäre Betreuung, verursachen könnte. Zudem werden Kommunen gezwungen, Kürzungen durch eigene Mittel auszugleichen, um wichtige Angebote aufrechtzuerhalten.

Positiv ist der Anstieg um knapp 20 Mio. Euro für die Ausbildung in Pflege- und Gesundheitsberufen. Unverständlich ist jedoch die Kürzung der Förderrichtlinie für die Finanzierung der Investitionskosten der Pflegeschulen um knapp 70 Prozent auf 2,2 Mio. Euro (12) sowie die Kürzung bei Zinsen und Darlehen für Baumaßnahmen von Pflegeeinrichtungen (13) . Angesichts des steigenden Pflege(platz)bedarfs und des demographischen Wandels stehen diese Kürzungen im Kontrast zu diesen Herausforderungen und sind kontraproduktiv.  

Migration, Flucht und Integration 

Für das kommende Jahr verfolgt das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration eine Restrukturierung und Neuausrichtung der integrationspolitischen Infrastruktur, die den steigenden Bedarfen nicht gerecht wird. Diese Neuausrichtung führt vor allem zu Kürzungen und Verschiebungen, die die Übersicht über die tatsächlichen Mittelverlagerungen erschweren, und lässt einen Rückgang der Angebote für geflüchtete Menschen sowie ihrer Integration befürchten. Viele Menschen werden im Folgejahr ohne rechtliche Beratung und psycho-soziale Unterstützung auskommen müssen. Insgesamt belaufen sich die signifikantesten Kürzungen auf 22.701.300 Euro.  

Zu bemängeln ist die Reduzierung der Mittel für die Förderung der Integration Eingewanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt um 63 Prozent auf 1.831.000 Euro (14). Aus diesem Titel werden die soziale Eingliederung von Eingewanderten, Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung, Islamismus-Prävention, Maßnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit, Maßnahmen zur Qualifizierung sowie die Förderung der sozialen Beratungsarbeit für Sinti und Roma finanziert. Die Kürzung betrifft vor allem Träger, welche niedrigschwellige Angebote vorhalten, wie auch Migrantenselbstorganisationen.

Darüber hinaus gibt es einige Verschiebungen zwischen der Titelgruppe 68 „Förderung der Integration Eingewanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt“ (15) und der „Förderung der integrationspolitischen Infrastruktur in NRW.“ (16) Den Aufwuchs von knapp über 500 Tausend Euro für laufende Zwecke an soziale oder ähnliche Einrichtungen in der Titelgruppe 67 begrüßen wir zwar, insgesamt stehen aber durch die Verlagerungen ab 2025 weniger Mittel für die Angebote der Träger der Freien Wohlfahrtspflege zur Verfügung.  

Gestrichen wird ab 2025 die Förderung Interkultureller Zentren und niederschwelliger Integrationsvorhaben, der im Haushalt 2024 noch knapp 1 Mio. Euro betrug (17). Mit dieser Förderung konnten in NRW zahlreiche einfach zugängliche Angebote, insbesondere in strukturschwachen Regionen, umgesetzt werden. 

Das Programm „Soziale Beratung von Geflüchteten“ (SBvG) (18) wird aufgespalten und gekürzt. Von den ursprünglichen 35 Mio. Euro verbleiben 12,9 Mio. in dem Titel Sozialberatung für Geflüchtete. 15,1 Mio. Euro werden in das Kapitel mit „Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände zur Förderung der integrationspolitischen Infrastruktur“ (19) verschoben. Insgesamt bleibt nach den Verschiebungen eine Kürzung von 7 Mio. Euro, welche hauptsächlich die Asylverfahrensberatung mit 77 Vollzeitäquivalenten und die Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit 14 Vollzeitäquivalenten betrifft (20). Mit der Streichung der Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge entfällt eine spezialisierte Fachberatung an der Schnittstelle von Asyl- und Aufenthaltsrecht und SGB VIII.

Die Zuweisungen an Gemeinden zur Koordinierung der Maßnahmen für junge Geflüchtete werden um knapp 73 Prozent von 3,3 Mio. Euro auf 900.000 Euro gekürzt (21). Aus diesen Mitteln wurden bisher kommunale Projekte für junge Geflüchtete zur Demokratiebildung, der Vermittlung von Werten sowie zur Prävention sexualisierter Gewalt gefördert. Die Kürzungen werden in einem Abbau der Angebote und wohlmöglich auch zu einem Stellenabbau führen.

Insgesamt 12,5 Mio. Euro werden für die Einführung der, aus unserer Sicht, diskriminierenden Bezahlkarte (in Land und Kommune) bereitgestellt (22). Aus Perspektive der LAG FW NRW ist das eine falsche Priorisierung des Landes. 12,5 Mio. Euro entsprächen 236 Vollzeitstellen im Bereich des Programms Soziale Beratung von Geflüchteten.

Die geplanten Haushaltskürzungen verschärfen die bestehenden Herausforderungen in den Bereichen Migration, Integration und Flucht. Der Abbau der Beratungen und Angebote verhindert den Zugang zum Rechtsschutz und Integration mit gravierenden Folgen für die Zugewanderten und unsere Gesellschaft. Ungenügende Investitionen in Integration fördern Spaltung und Diskriminierung sowie fremdenfeindliche Einstellungen und verstärken populistische Tendenzen.  

Familienbildung und Familienhilfe 

Durch eine Kürzung von insgesamt 9.367.300 Euro bei den freiwilligen Mitteln des MKJFGFI für anerkannte Einrichtungen der Familienbildung und Familienhilfen, wie Beratung, wird die Infrastruktur präventiver Angebote für benachteiligte Familien erheblich reduziert. Der Familienbildung ist es auf Basis der Mittel für Gebührennachlasse gut gelungen, passgenaue Familienbildungsarbeit zu etablieren und auch schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen. Die geplanten Kürzungen greifen diese Arbeit empfindlich an. Bereits jetzt überbelastete Tageseinrichtungen für Kinder und Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung werden die drastische Reduzierung der finanziellen Mittel für präventive Angebote deutlich spüren.  

Ähnliche Wirkung wird voraussichtlich auch die Kürzung der Förderung von Kooperationen der Familienbildung und Familienberatung mit Familienzentren von 5,9 Mio. Euro auf 2 Mio. Euro entfalten (23). Für die Familienzentren stellt die Kooperation eine Voraussetzung zur Zertifizierung als Familienzentrum dar und ist somit notwendig. Die im Haushalt 2024 enthaltenen Titel für Angebote der Familienberatung und Familienbildung für Flüchtlingsfamilien von knapp 2 Mio. Euro (24) sowie der zielgruppenspezifischen Schwangerschaftsberatung über 777.800 Euro entfallen vollständig (25). Bei den Mitteln nach dem Weiterbildungsgesetz NRW gibt es zwar einen Aufwuchs der Zuschüsse (+ 239.300 Euro) für Familienbildungseinrichtungen (26), der mit der Dynamisierung der Pauschale zu erklären ist. Allerdings wurde die versprochene Dynamisierung bei der Novellierung des Weiterbildungsgesetzes von zwei Prozent auf ein Prozent reduziert. Angesichts der aktuellen Preisentwicklung wäre mindestens eine Erhöhung von acht Prozent erforderlich, um einen angemessene Inflationsangleichung der Zuschüsse zu realisieren.  

Armutsbekämpfung 

Der ohnehin schon marginale Titel für Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und für sozialen Zusammenhalt von 4.689.600 Euro im Jahr 2024 wird im Jahr 2025 um 2.590.300 Euro (ca. 55 Prozent) (27) gekürzt. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben zur Armutsbekämpfung werden so weder umgesetzt noch die Menschen in Armut im Blick behalten.  

Ein Aktionsplan gegen Armut oder eine klare Strategie des Landes zur gezielten Armutsvermeidung und -bekämpfung sind nicht erkennbar. Die im Haushaltsplanentwurf enthaltenen Priorisierungen setzen lediglich auf eine Versorgung im Kontext von Armutsfürsorge und zahlen nicht auf die strategische Armutsbekämpfung und die Verhinderung von Obdach- und Wohnungslosigkeit ein. Die Investitionen in Essensausgaben und Obdachlosenhilfe zeugen davon und werden als Strategie zur Hilfe für die Ärmsten der Armen im Landeshaushalt besonders hervorgehoben und gesichert. Insgesamt werden aber die geplanten Einsparungen die Anzahl von Menschen, die zu den Ärmsten der Armen gehören, erhöhen und damit die Nothilfeausgaben weiter steigern. Viele Kinder und Familien, insbesondere Alleinerziehende, geraten in eine dauerhafte Abhängigkeit von Hilfe und Unterstützung. Das verhindert soziale Mobilität und Chancengleichheit – mit negativen Auswirkungen auf die Identifikation mit dem politischen System. 

Es ist unerlässlich, dass das Land NRW nicht nur auf akute Notlagen reagiert, sondern proaktive Maßnahmen ergreift, um Armut dauerhaft zu verhindern. Präventive Ansätze in Wohnraumversorgung und sozialer Teilhabe sind hierbei entscheidend.  

Kita und OGS

Im Bereich der Tageseinrichtungen wird für Kinder keine angemessene Erhöhung der landesseitigen Zuschüsse im Deckungskreis KiBiz vorgeschlagen. Stattdessen erfolgen die Anpassungen nur im von uns angenommenen Umfang der Fortschreibungsrate, die unter Anrechnung eines Platzausbaus und einer zu erwartenden Steigerung der Sach- und Personalkosten nicht ausreicht. Zudem fehlt im Bereich Qualifizierung und Weiterbildung nach den vorangestellten Annahmen der Inflation und des Personalkostenanstiegs ein Betrag von 890.550 Euro. Für das KiTa Helferprogramm werden zusätzlich 3,9 Mio. Euro, für Sprach-Kitas 2 Mio. Euro und für den Kinderschutz 265.196 Euro benötigt, um den bisherigen quantitativen und qualitativen Standard zu sichern. Zur Sicherung der Trägerpluralität fehlen 105 Mio. Euro. Mindestens 500 Mio. Euro jährlich fehlen seit der letzten KiBiz-Novellierung, weil seinerzeit die Finanzierung der Sachkosten nicht geklärt wurde. Kürzungen in anderen Bereichen, wie der Berufseinstiegsbegleitung und präventiven Angeboten der Familienbildung sowie im Bereich Integration, Migration und Flucht, belasten direkt auch die ohnehin angespannte Situation in Kindertageseinrichtungen. Die Kürzungen beim Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ (28) gefährden die Teilnahme von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen unter anderem an der gemeinsamen Mittagsverpflegung.

Diese Kürzungen und fehlende Anpassungen an die Kostensteigerungen schwächen die soziale Landschaft, belasten die Träger und gefährden somit langfristig die Trägervielfalt und das Wunsch- und Wahlrecht der Familien.

Für die Offenen Ganztagsschulen ist keine Erhöhung der Landeszuschüsse über die per Erlass festgelegten drei Prozent p.a. hinaus geplant. Daher ist weiterhin eine schwierige und mancherorts nicht auskömmliche Refinanzierungssituation der Ganztagsangebote zu konstatieren. Gute Offene Ganztagsschulen in NRW werden also zunächst weiterhin eine Glückssache bleiben, was einem unhaltbarem Zustand entspricht.  

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1 Zur ausführlicheren Darstellung wird auf diese verwiesen: Kommentierung Haushalt 2025

2 EP 2, Kap. 02 070, Titel 547 10 011, 633 00 291 und 684 00 291

3 EP 11, Kap. 11 042, Titel 684 12 236

4 EP 11, Kap. 11 042, Titel 684 12 236

5 EP 4, Kap. 04 210, Titel 684 11 051, 684 20 051, 684 30 051 und 684 10 051

6 EP 4, Kap. 04 210, Titel 684 30 051

7 EP 7, Kap. 07 030, Titelgruppe 70, Titel 684 70 291

8 EP 11, Kap. 11 080, Titelgruppe 71, Titel 684 71 314

9 EP 11, Kap. 11 080 Titelgruppe 64

10 EP 11, Kap. 11 029, Titelgruppe 75, Titel 686 75 253

11 EP 11, Kap. 11 090, Titelgruppe 90, Titel 686 90 111

12 EP 11, Kap. 11 090, Titelgruppe 93, Titel 893 93 291

13 EP 11, Kap. 11 090, Titelgruppe 92, Titel 173 92 235

14 EP 7, Kap. 07 080, Titelgruppe 68

15 EP 7, Kap. 07 080, Titelgruppe 68

16 EP 7, Kap. 07 080, Titelgruppe 67

17 EP 7, Kap. 07 080, Titelgruppe 67, Titel 686 67

18 EP 7, Kap. 07 090, Titel 684 41 235

19 EP 7, Kap. 07 080 12 Titel 633 67 249

20 Die Asylverfahrensberatung soll ab nächstem Jahr über Bundesmittel und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert werden. Laut Kenntnissen der LAG FW NRW stehen hierfür ca. 4,5 Mio. Euro zur Verfügung. Es bleibt eine Lücke von 2,5 Mio. Euro. Der Bedarf nach Beratung kann damit nicht gedeckt werden.

21 EP 7, Kap. 07 040, Titelgruppe 68, Titel 633 68 266

22 EP 7, Kap. 07 090, Titel 547 20 249 und 633 43 249

23 EP 7, Kap. 07 030, Titel 684 10 291

24 EP 7, Kap. 07 030, Titelgruppe 70, Titel 684 70 291

25 EP 7, Kap. 07 030, Titelgruppe 70, B12

26 EP 7, Kap. 07 030, Titelgruppe 64, Titel 684 64 153

27 EP 11, Kap. 11 042, Titelgruppe 95, Titel 633 95 291 und 686 95 291

28 EP 11, Kap. 11 042, Titelgruppe 95