Es ist besonders erfreulich und positiv hervorzuheben, dass in dem Antrag nicht nur die Herausforderung der Pflege, sondern auch der Ausbau offener Altenhilfestrukturen und damit der vorpflegerische Bereich eine stärkere Berücksichtigung findet. Es ist längst überfällig, dass die Potenziale und Lebensrealitäten älterer Menschen berücksichtigt werden. Der Einbezug von Praxisakteuren und wissenschaftlichen Erkenntnissen trägt maßgeblich dazu bei, den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und gesellschaftlichen Akteuren zu fördern. Ergänzend dazu liefern auch die von der Freien Wohlfahrtspflege NRW formulierten Forderungen, wie etwa die nachhaltige Reform des § 71 SGB XII und die Einführung eines festen kommunalen Basisbudgets, wichtige Orientierungspunkte, die als Leitplanken zur Weiterentwicklung der vorgeschlagenen Maßnahmen dienen können.
Würdigung und Bestätigung positiver Impulse
Der Antrag hebt wichtige Aspekte hervor, die einen ganzheitlichen Blick auf Alter und Altern ermöglichen. Das heißt Alter wird nicht nur unter dem Aspekt der Schutz- und Hilfebedürftigkeit gesehen, sondern unter dem Teilhabeaspekt. Dabei werden ältere Menschen nicht ausschließlich als pflegebedürftig wahrgenommen, sondern als aktive, engagierte und wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. Diese Perspektive ist grundlegend und ein wichtiges Bekenntnis, um den unterschiedlichen Lebensrealitäten gerecht zu werden und das Potenzial älterer Menschen voll auszuschöpfen. Insbesondere das bürgerschaftliche Engagement, das in zahlreichen Bereichen wie Familie, Ehrenamt und Nachbarschaftshilfe zum Ausdruck kommt, wird als ein wesentlicher Beitrag zum sozialen Zusammenhalt anerkannt. Dieser positive Impuls stimmt auch mit den Ansätzen der Freien Wohlfahrtspflege NRW überein, die in ihren Forderungen auf die Stärkung des verantwortungsvollen gesellschaftlichen Miteinanders und die aktive Mitgestaltung älterer Menschen abzielen.
Altenhilfe vor Ort – Verantwortung der Kommunen gemäß § 4 APG NRW
Das Alten- und Pflegegesetz NRW (APG NRW) verpflichtet die Kommunen dazu, eine bedarfsentsprechende vorpflegerische und pflegerische Angebotsstruktur sicherzustellen und zu koordinieren. Diese Verantwortung umfasst sowohl klassische Angebote, wie Seniorentreffs und Begegnungsstätten, als auch aufsuchende Strukturen, um insbesondere schwer erreichbare Zielgruppen besser einzubinden. Ein zentrales Anliegen ist dabei, dass viele ältere Menschen, die nicht aktiv nach Unterstützung suchen, durch klassische Angebote nur unzureichend erreicht werden. Für diese Gruppen sind alternative, zugehende Angebote erforderlich, die gezielt auf individuelle Bedarfe eingehen. Eine stärkere Verknüpfung von Altenhilfe mit weiteren sozialplanerischen Maßnahmen erscheint hier als sinnvoller Ansatz, um bedarfsgerechte und nachhaltige Lösungen zu schaffen.
Strukturierung und Priorisierung der Maßnahmen
Um die bereits wertvollen Impulse noch besser zu nutzen, erscheint es sinnvoll, die Vielzahl der vorgeschlagenen Maßnahmen noch klarer zu strukturieren. Eine transparente Darstellung der zentralen Handlungsfelder kann dazu beitragen, dass die Umsetzung der Vorschläge zielgerichtet und effektiv erfolgt. In diesem Kontext bieten die von der Freien Wohlfahrtspflege NRW aufgestellten Forderungen eine hilfreiche Orientierung: Es wird empfohlen, den § 71 SGB XII nachhaltig zu reformieren – indem von einer Soll- zu einer Muss-Bestimmung übergegangen und ein festgelegtes kommunales Basisbudget pro über 65-Jähriger eingeführt wird. Dieses Instrument hat das Potenzial, regionale Unterschiede bei den kommunalen Aufwendungen auszugleichen und eine verlässliche, wohnortunabhängige Grundversorgung zu fördern. Darüber hinaus kann eine frühzeitige Einbindung aller relevanten Akteure – insbesondere der Seniorenvertretungen sowie der Träger der Freien Wohlfahrtspflege – den Prozess der Priorisierung und Umsetzung der Maßnahmen zusätzlich stabilisieren.
Integrierte Sozialplanung als Schlüssel zu mehr Teilhabe
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Stellungnahme bezieht sich auf die soziale Teilhabe älterer Menschen, die als Grundlage für ein würdevolles Leben im Alter angesehen wird. Es bedarf einer integrierten Sozialplanung, die verschiedene Lebensbereiche wie Mobilität, Wohnen und Bildung miteinander verknüpft. Kommunale Einrichtungen wie Seniorenbüros und Quartiersprojekte können hierbei eine zentrale Rolle spielen – vorausgesetzt, sie werden ausreichend finanziert und professionell begleitet. Die derzeitige Praxis flexibler Zuwendungen, die oft mit Unsicherheiten einhergeht, zeigt den Handlungsbedarf für eine nachhaltige und verlässliche Finanzierung. Insbesondere in Krisenzeiten wird deutlich, wie wichtig stabile finanzielle Rahmenbedingungen sind. Ein festgelegtes kommunales Basisbudget, das die unterschiedlichen Haushaltslagen der Kommunen berücksichtigt, könnte hier als verlässlicher Stabilitätsfaktor wirken. Wie bereits durch viele Projekte belegt stärkt Quartiersarbeit das Miteinander der Generationen, erreicht mit aufsuchenden Angeboten auch diejenigen, die nicht immer in der ersten Reihe stehen und wirkt der Vereinsamung entgegen. Gemeinsame Projekte zwischen den Generationen haben gezeigt, wie sehr Jung und Alt von den Kompetenzen des jeweils anderen profitieren können. Ein funktionierendes Quartier fördert Nachbarschaft und ehrenamtliches Engagement untereinander, bietet Unterstützung für diejenigen, die sie benötigen und greift auf die vorhandenen Potentiale der im Quartier lebenden Menschen zurück. Problem ist jedoch, dass beim Auslaufen der Projektmittel die aufgebauten Strukturen nicht aufrechterhalten werden können. Zu einer nachhaltigen Quartiersarbeit gehört die gesicherte Finanzierung hauptamtlicher Kräfte zur Unterstützung und zum weiteren Ausbau der Strukturen vor Ort. Dazu gehören auch in diesem Antrag unter 3. genannte Maßnahmen wie die Erarbeitung einer flächendeckenden integrierten Sozialplanung und das Schaffen von bezahlbarem barrierefreiem Wohnraum.
Budget – Herausforderungen und Lösungsvorschläge
Unterschiedliche Mittelverwendung der Kommunen
Verschiedene Studien und Gutachten, u.a. die Disparitätenstudie der BAGSO, belegen, dass immer noch ungleiche Lebensbedingungen für ältere Menschen bestehen und dass ein gutes und selbstbestimmtes Leben im Alter davon abhängt, wo man lebt. Die wissenschaftliche Untersuchung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) zeigt, dass die finanziellen Aufwendungen der Kommunen für Altenhilfestrukturen stark variieren – sie reichen von 0 bis 34,30 Euro pro Kopf jährlich. Diese erhebliche Spreizung verdeutlicht, dass die Altenhilfe vor Ort unterschiedlich priorisiert und finanziert wird.
Was wir brauchen, sind keine neuen Studien. Vielmehr muss die flächendeckende Umsetzung der vorliegenden Erkenntnisse erfolgen. Hier können wir insbesondere auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins (DV) „Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Umsetzung des § 71 SGB XII“ verweisen. Darin empfiehlt der DV die Stärkung kommunaler Altenhilfestrukturen über den § 71 SGB XI bzw. über die landesrechtlichen Möglichkeiten wie in NRW das APG.
Darüber hinaus verweisen wir auf das Positionspapier der LAG Freien Wohlfahrtspflege NRW. Die LAG Freie Wohlfahrtspflege NRW setzt sich dafür ein, den § 71 SGB XII verbindlicher zu gestalten und mit einem festgelegten Basisbudget zu ergänzen. Eine nachhaltige Finanzierung der Altenhilfe ist entscheidend, um Teilhabeangebote langfristig zu sichern und Kommunen eine verlässliche Planungsgrundlage zu bieten.
Als hervorzuhebende Ausnahme und Leuchtturm möchten wir auf den von 2014 bis 2019 geförderten Masterplan altengerechte Quartiere des Landes NRW hinweisen. Daraus konnten Kommunen oder Landkreise wie Bochum, Düsseldorf, Gelsenkirchen oder der Oberbergische Kreis die Teilhabe älterer Menschen ganz oben auf ihre kommunalen Agenden setzen und haben für diese wichtige Aufgabe notwendige und erhebliche Fördermittel erhalten.
Forderung nach einem Basisbudget
Um diese regionalen Ungleichheiten abzubauen und eine verlässliche Grundversorgung sicherzustellen, wird die Einführung eines festgelegten kommunalen Basisbudgets vorgeschlagen. Ein solches Budget könnte dazu beitragen, dass alle Kommunen – unabhängig von ihrer finanziellen Ausgangslage – gleiche Teilhabechancen für ältere Menschen bieten können.
Landesförderplan
Die Ansicht zum Landesförderplan teilen wir nicht. Grundsätzlich ist der neue Landesförderplan mit seinem Fokus auf Vernetzung zwischen offener Altenhilfe und der Pflege sowie auf dem Entwickeln von neuen Versorgungs- und Sorgestrukturen in seiner Zielrichtung richtig. Was fehlt, ist ein transparentes Antragsverfahren mit klaren Antragswegen und Rückmeldefristen.
Reform der Pflegeversicherung
Eine Reform der Pflegeversicherung ist dringend notwendig, muss aber der Komplexität gerecht werden, indem nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen, sondern auch die grundlegende Vereinfachung des Leistungsrechts für Leistungserbringer und Pflegebedürftige in den Blick nimmt.
Reform der pflegerischen Versorgung
Bei der Reform der pflegerischen Versorgung ist ebenfalls die Schaffung tragfähiger und nachhaltiger Sorgestrukturen wichtig, wie sie z.B. im Siebten Altenbericht „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“ empfohlen werden. Danach braucht es für eine zukünftige Versorgung einen Mix von professionellen, familiären und freiwilligen Hilfeleistungen. Dabei ist zu klären, durch welche konkreten Rahmenbedingungen die Ausbildung solcher Sorgestrukturen gefördert werden.
Investitionskosten
Die Förderung der Investitionskosten ambulanter, teil- und vollstationärer Pflegeeinrichtungen ist notwendig und muss auch in die Zukunft gerichtete Investitionen wie Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigen. Das Land sollte sich nicht nur, wie vorgeschlagen, an den Investitionskosten der vollund teilstationären und der ambulanten Pflege besser beteiligen als bisher, sondern auch das Verfahren der Antragstellung und Bearbeitung vereinfachen. Der bürokratische Aufwand für die Träger von Pflegeeinrichtungen auf der einen und für die Landschaftsverbände auf der anderen Seite muss deutlich reduziert werden, dies macht eine zeitnahe Reform des APG NRW und der APG-DVO unumgänglich. Die Pflegeschulen müssen endlich eine auskömmliche Investitionskostenförderung erhalten, die es ihnen ermöglicht, auch die Plätze für die Pflegeassistenzausbildung auszubauen. Die Finanzierung der Pflegeausbildung darf nicht weiter über die Pflegebedürftigen selbst erfolgen, sondern muss solidarisch aus Steuermitteln finanziert werden.
Ausstattung von Wohnungen
Hinsichtlich der Ausstattung von Wohnungen von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen mit Assistenzsystemen ist eine finanzielle Förderung notwendig, damit diese allen Menschen, unabhängig ihrer finanziellen Möglichkeiten, zur Verfügung steht. Für Pflegebedürftige bietet die Pflegeversicherung über Hilfsmittel und digitale Pflegeanwendungen Ansätze, jedoch bleibt eine flächendeckende Nutzung auch aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit von digitalen Pflegeanwendungen aktuell aus.
Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Die Unterstützung von pflegenden Angehörigen muss multifaktoriell erfolgen und darf sich nicht allein auf die Förderung einzelner Angebote beschränken. Im Kontext eines Landesprogramms zur Förderung von Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflegeplätzen ist eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Neben Anlaufkosten vor und bei Inbetriebnahme dieser Angebote, ist deren langfristige Auslastung entsprechend des mit den Kostenträgern auf Landesebene vereinbarten Auslastungsgrads entscheidend, um eine langfristige Wirtschaftlichkeit der Angebote sicherzustellen. Aufgrund allgemeiner Preissteigerungen steigen aber bspw. auch die von Pflegebedürftigen zu tragenden Kosten, ohne dass die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung für die Pflegebedürftigen entsprechend gestiegen sind. Trotz Bedarfs von Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen nutzen diese in der Folge diese Angebote nur eingeschränkt. Zudem sind die Pflegebedürftigen und ihren pflegenden Angehörigen entsprechende Entlastungsangebote häufig nicht bekannt, so dass sie die Angebote gar nicht oder erst sehr spät in Anspruch nehmen. Hier bedarf es einer Informationsoffensive, die bspw. auf die bereits vorhandenen Angebote der Tagespflege aufmerksam macht.
Fazit
Zusammenfassend sehen wir den Antrag „Endlich mehr Respekt für unsere ältere Generation“ als eine solide Grundlage für die Weiterentwicklung einer modernen Altenpolitik in NRW. Die von der Freien Wohlfahrtspflege NRW formulierten Leitplanken bieten wertvolle Orientierung, um den Ansatz einer wohnortunabhängigen und nachhaltig finanzierten Altenhilfe weiter auszubauen.
Wir verstehen diese Stellungnahme als einen beratenden Beitrag, der den Dialog zwischen Politik, Praxis und Gesellschaft stärken soll. Unser Ziel ist es, gemeinsam die bestehenden positiven Impulse zu fördern und weiterzuentwickeln – stets im Sinne einer inklusiven, zukunftsorientierten und verlässlichen Altenpolitik.
Das bedeutet, dass wir Städte und Gemeinden benötigen, die Infrastrukturverantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass:
1. es eine professionelle und ganzheitliche Altenhilfeplanung gibt, die nicht nur die sozialen Aspekte in den Blick nimmt, sondern auch Verkehr, Digitales, Mobilität, Grün, Stadtentwicklung,
2. stationäre und aufsuchende Beratungsstrukturen existieren,
3. Orte der Teilhabe, Bildung, Selbstorganisation und Engagementförderung gefördert werden.
Ergänzend verweisen wir auf die Stellungnahme der LAG Freien Wohlfahrtspflege vom 30.08.2024 zum Antrag der Fraktion der SPD „Selbstbestimmtes Leben im hohen Alter: Die Menschen müssen selbst entscheiden können, wo sie wohnen wollen.“ (Drucksache 18/9161).