Kurzfristiges Kitaträger-Rettungspaket in Höhe von 500 Millionen Euro
Durch die LAG FW wurde insbesondere in den letzten zwei Jahren immer wieder die Problematik der nicht auskömmlichen Finanzierung der Kindertageseinrichtungen betont. Ein Rettungspaket in Höhe von 500 Millionen Euro würde für kurzfristige Entlastung der Träger sorgen. Gleichermaßen muss die Finanzierungssystematik und -höhe zum einen vor dem Hintergrund unterjähriger Kostensteigerungen verändert werden, damit solche Defizite nicht erneut auflaufen. Darüber hinaus müssen die Träger von Kindertageseinrichtungen in die Lage versetzt werden, Kindertageseinrichtungen als frühkindliche Bildungsinstitution nachhaltig für die Diversifizierung und Pluralisierung von Kindheiten konzeptionell und personell aufstellen zu können. Insbesondere die Umsetzung der personellen Ausstattung nach § 28 KiBiz ist für diese Anforderung notwendig, kann aber aufgrund der Unterfinanzierung des Systems von vielen Trägern nicht annähernd umgesetzt werden.
Wie in ihrem Eckpunktepapier zur KiBiz-Novellierung beschrieben, hat die LAG FW bereits im Rahmen der KiBiz-Reform 2019 auf ein von ihr berechnetes Defizit im Sachkostenbereich in Höhe von damals rund 570 Millionen Euro hingewiesen. Eine wesentliche Ursache wurde darin gesehen, dass die Sachkosten nicht (wie die Personalkosten) von der Kostenseite her betrachtet wurden, sondern weiterhin aus dem Vorläufergesetz GTK von 2007 fortgeschrieben wurden.
Auch für die Berechnung der Betriebskosten im KiBiz muss die Anwendung der KGSt-Berichte „Kosten eines Arbeitsplatzes“ als Grundlage gelten. Zur Ermittlung der Kosten eines Arbeitsplatzes werden die Personalkosten, Sachkosten und Gemeinkosten von der KGSt addiert. Für Nicht-Büroarbeitsplätze werden 10 % der Personalkosten und für Gemeinkosten 15 % der Personalkosten veranschlagt. In Summe ergibt sich hier ein Aufschlag von 25% Betriebskosten auf die Personalkosten.
Des Weiteren haben sich die Personalkosten durch die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst, die an die Tarifverträge vieler Verbände angelehnt sind, insgesamt um rund eine halbe Milliarde Euro erhöht. Diese Steigerung ist zwar grundsätzlich durch die Dynamisierung der Kindpauschalen abgedeckt, allerdings mit einem zeitlichen Versatz, sodass Träger erhebliche Personalkostensteigerungen unmittelbar alleine tragen müssen. So hat sich seit der Einführung des § 37 Anpassung der Finanzierung (Fortschreibungsrate) eine Finanzierungslücke aufgetan, die von den Trägern nicht eingeholt wird. Das entstandene Delta muss weiterhin allein der Träger schultern.
Eintreten der Landesregierung mit den KSV in einen Dialog zur Abschaffung, mindestens aber zur Verringerung der Trägeranteile beim Kita-Betrieb
Die freien und kirchlichen Träger von Kindertageseinrichtungen fordern seit Jahren eine Abschaffung bzw. deutliche Verringerung des Trägeranteils. Inwiefern die Mittel von kommunaler Seite oder vom Land getragen werden, ist in einem Aushandlungsprozess zwischen Kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung zu klären. Die landesun- einheitliche Übernahme von Trägeranteilen durch freiwillige kommunale Zuschüsse führt zu der Verstärkung von Bildungsungerechtigkeit, da dadurch Unterschiede in der Qualität und Verfügbarkeit von Bildungsangeboten in verschiedenen Regionen entstehen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Chancengleichheit im Bildungssystem.
Verbesserung der Ausbildungs-Rahmenbedingungen
Laut der Studie des Forschungsverbundes der Uni Dortmund und des DJI zu Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe gibt es in NRW insgesamt 119 Fachschulen für Sozialwesen an Berufskollegs, an denen die Ausbildung zum*r staatlich anerkannten Erzieher*in“ absolviert werden kann. Im Schuljahr 2022/23 absolvierten rund 21.500 Schüler*innen eine Ausbildung in den entsprechenden Fachklassen. Gut die Hälfte davon befand sich im Theorie- oder Praxisteil der „konsekutiven“ Erzieher*innenausbildung, die knappe andere Hälfte nutzte die Möglichkeit der Praxisintegrierten Ausbildung zur/zum Erzieher*in (PiA-E). Die neue Form der Praxisintegrierten Ausbildung zur/zum Kinderpfleger*in (PIA-K) ist bisher an 14 Schulstandorten möglich, dabei allerdings mit noch relativ geringen Zahlen zwischen 10 und 63 Schüler*innen. In der dreijährigen „konsekutiven“ Erzieher*innen-Ausbildung liegt die Abbrecherquote im Zeitraum von 2015 bis 2022 bei 26%. In der Ausbildung zur Kinderpflegeperson liegt diese Quote zwischen 2016 und 2022 sogar bei 58%, in der Ausbildung zur Sozialassistenz bei 59%. Auch in der praxisintegrierten Ausbildung zur /zum Erzieher*in brechen 29% der Auszubildenden die Ausbildung vorzeitig ab.
Voraussetzung für die Reduzierung der Abbrecherquote wäre ein tiefergehendes Wissen darüber, welche Gründe, ob berufsbezogen, schulisch, persönlich und/oder betrieblich, zum Abbruch führen. Im Bereich der Ausbildungsberufe gemäß Berufsbildungsgesetz gibt es dazu entsprechende statistische Erhebungen. Daraus könnte gezielter abgeleitet werden, wie Träger, Kindertageseinrichtungen, aber auch Fachschulen beitragen können, um die Abbrecherquote zu reduzieren und welche Rahmenbedingungen dazu benötigt werden. Aus den Berufskollegs und den Praxisstellen mehren sich zudem die Aussagen, dass die Auszubildenden zunehmend die Ausbildung aufgrund von zu hoher Belastung in den Kitas abbrechen.
Die praktische Ausbildung muss einen anderen Stellenwert erhalten, entsprechend über KiBiz finanziert und nicht in den Mindestpersonalschlüssel eingerechnet werden. Hier erleben Auszubildende nach eigener Aussage oft einen sog. „Praxisschock“ und müssen Tätigkeiten übernehmen, die sie überfordern. Sie benötigen aber ein Lernfeld mit breiten Erfahrungsmöglichkeiten.
Die Finanzierung der gesamten PiA-Ausbildungskosten würde dazu beitragen, die Bereitschaft der Träger zu steigern, Praxisplätze für die Ausbildung anzubieten. Zum Gelingen der Praxisintegrierten Ausbildung muss zudem gesichert sein, dass die personelle Ausstattung in der Einrichtung eine qualitativ hochwertige Praxisanleitung ermöglicht. Die Sicherung von Einarbeitung, Anleitung und Qualifizierung durch die Praxisanleitung muss sowohl finanziell als auch personell über weitere Mittel ermöglicht werden.
Anpassung der Mietkostenzuschüsse für Kitas an die tatsächlichen Entwicklungen vor Ort
Aus Sicht der LAG FW ist es notwendig, die Mietkostenzuschüsse an die tatsächlichen Entwicklungen vor Ort anzupassen. Träger von Kindertageseinrichtungen müssen die derzeitigen Preissteigerungen aus eigenen Mitteln decken. Dies führt zu finanziellen Engpässen und kann die Qualität und Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen deutlich negativ beeinflussen. Die Mietpreise variieren stark zwischen den verschiedenen Regionen. In wirtschaftlich starken und dicht besiedelten Kommunen sind die Mieten oft deutlich höher als in ländlichen oder strukturschwächeren Gebieten. Eine Pauschalierung der Mietkostenzuschüsse, die nicht auf diese regionalen Unterschiede eingeht, benachteiligt Träger in teuren Regionen, da die Zuschüsse dort möglicherweise nicht ausreichen, um die tatsächlichen Mietkosten zu decken. Wenn finanzstarke Kommunen die Mietzuschüsse aufstocken können und müssen, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu sichern, führt dies unvermeidlich zu einer Ungleichheit in der Bildungsinfrastruktur im Land NRW.
An dieser Stelle wird erneut auf das Eckpunktepapier der LAG FW zur KiBiz-Novellierung hingewiesen, in dem es heißt:
„In der Durchführungsverordnung zum KiBiz ist die Höhe der Pauschalen für den Mietzuschuss und die anrechenbaren Quadratmeter festgelegt. Die dort hinterlegten Werte sind für die Träger problematisch, da diese oft nicht die örtlichen Mietpreise widerspiegelt. Auf Grund von deutlich gestiegenen Baukosten, die die jetzigen Mietpauschalen nicht abbilden, ziehen sich Investoren aus dem Kita-Bau zurück. Hier ist eine kleinräumigere Anpassung der Mietpauschalen an die regionalen Realkosten notwendig, um den notwendigen Ausbau von Betreuungsplätzen zu fördern Die maximal anrechenbaren Quadratmeter sind ebenfalls für viele Träger problematisch, da die heutigen Anforderungen an eine Kindertageseinrichtung oft deutlich mehr Fläche in Anspruch nehmen (z. B. Barrierefreiheit, Ganztagsbetreuung, Mittagessen, differenzierte Bildungsbereiche). Die jährliche Anpassung der Mietpauschalen führt in Verbindung mit der Fortschreibungsrate der Kindpauschalen zu Deckungslücken im Haushalt der Kita-Träger. In den Kindpauschalen ist kalkulatorisch ein Betrag für Instandhaltungen der Gebäude enthalten (3.116,46 € im Kita-Jahr 2022/2023). Dieser Betrag wird im Rahmen der Kindpauschalen mit der Fortschreibungsrate dynamisiert. Diese Pauschalen werden allerdings nicht mit der Fortschreibungsrate nach § 37 KiBiz, sondern mit dem allgemeinen Verbraucherpreisindex für Deutschland des Statistischen Bundesamtes dynamisiert. Sobald also die Fortschreibungsrate für die Kindpauschalen und die Steigerungsrate für den allgemeinen Verbraucherpreisindex voneinander abweichen, kommt es zu Verwerfungen im Mietzuschuss. Da der Instandhaltungsbetrag vom Mietzuschuss abgezogen wird, sinkt der verbleibende Mietzuschuss im Zeitablauf.“
In diesem Zusammenhang lassen sich zusätzlich Faktoren benennen, die zum schleppenden Platzausbau in Kindertageseinrichtungen beitragen. Die investiven Mittel decken die tatsächlichen Bau- und Instandhaltungskosten nicht ab, Gebäudeeigentümer können nicht ausbauen. Die Bewirtschaftungskosten sind zu hoch, der Umstieg in das sog. Mietmodell bei unterschiedlichen Trägern und Gebäudeeigentümern würde eine finanzielle Entlastung ermöglichen und einen Anreiz für einen Ausbau schaffen. Außerdem decken die Mietzuschüsse und investiven Mittel die notwendigen energetischen Investitionen nicht ab. Das hindert Träger und Investoren daran, weitere Ausbauten vorzunehmen.
Aachen, 09.09.2024