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Klimaschutz durch energetische Qualifizierung der Pflegeeinrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege

Klimaziele im Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen. In ihrem Koalitionsvertrag 2022 – 2027 „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“ streben CDU und Bündnis 90/Die Grünen an, so schnell wie möglich entlang des 1,5-Grad-Ziels Klimaneutralität mit

Netto-Null-Emission in Nordrhein-Westfalen zu erreichen. Für die Landesverwaltung sollen „die Anstrengungen zur Erreichung des Ziels einer klimaneutralen Landesverwaltung 2030 aus dem Klimaschutzgesetz NRW“ weiter erhöht werden. Das Ziel im Klimaschutzgesetz ist die Erreichung von Klimaneutralität bis 2045.

Damit die ehrgeizigen Klimaschutzziele des Landes auch im Sozialsektor erreicht werden können, haben sich CDU und Bündnis 90/Die Grünen eine stärkere Förderung von Klimaschutz in Einrichtungen der Wohlfahrtspflege vorgenommen: „Einrichtungen der Wohlfahrtspflege und gemeinnützige Vereine werden bisher beim Klimaschutz zu wenig beachtet. Wir werden dies ändern, indem Klimaschutz bei der Investitionsförderung über die einschlägigen Gesetze wie das Altenpflegegesetz Nordrhein-Westfalen oder das Kinderbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen stärker berücksichtigt und gefördert werden kann.“ Die Landesregierung hat erkannt, dass Klimaschutz ohne die Wohlfahrtspflege nicht machbar ist.

Potenziale der Freien Wohlfahrtspflege für den Klimaschutz

Die Freie Wohlfahrtspflege hat enorme Potenziale, zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaschutzziele Nordrhein-Westfalens beizutragen. Allein die 1.350 Pflegeheime mit vollstationärer Dauerpflege in Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW verursachen heute insgesamt 437.400 Tonnen CO2-Emissionen jährlich. Wir wollen das durch geeignete Maßnahmen mit dem größten Aufwand-Nutzen-Effekt ändern. Einige Beispiele:

  • Dämmung aller warmgehenden Rohrleitungen
  • Nutzung gebäudenaher regenerativer Energien, bspw. Photovoltaik- und Solarthermieanlagen
  • Ersatz von Heizsystemen auf Basis fossiler Energien
  • Austausch der Heizkörper
  • Dämmung der obersten Geschossdecke bzw. Dach
  • Einbau, Austausch oder Optimierung der technischen Gebäudeausstattung (Raumlufttechnik, MSR-Technik, Gebäudeautomatisierung, Kältetechnik, Beleuchtung)
  • Ertüchtigung der Gebäudehülle (Fassade, Fenster, Türen, Dach)

Fehlende verbindliche Regelungen behindern Klimaschutz

Die Investitionskostenregelungen im Altenpflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG NRW) behindern die energetische Sanierung der Gebäude der Freien Wohlfahrtspflege. Aufgrund des gemeinnützigen Wirtschaftens ist die Freie Wohlfahrtspflege auf eine im APG geregelte verbindliche Investitionskostenförderung angewiesen. Energetische Maßnahmen sind im APG allerdings nicht als verbindliche, sogenannte „Must have“-Maßnahmen, deklariert, sondern gelten lediglich als „Nice to have“-Maßnahmen, selbst wenn deren Aufwendungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen. Obwohl sich viele heutige Investitionen innerhalb kürzester Zeit gegenüber steigenden Energiepreisen nachweislich amortisieren und bald zu erheblichen Einsparungen führen werden, werden selbst hoch effiziente energetischen Maßnahmen nur in seltenen Ausnahmefällen anerkannt. Die Crux:

  • Die Einsparungen können seitens der Träger nicht zur Amortisation von Investitionen verwendet werden, weil infolge energetischer Maßnahmen sinkende Betriebskosten die Refinanzierungssätze reduzieren und nur den Kostenträgern zugutekommen.
  • Die restriktive Handhabung der Landschaftsverbände und der Kommunen sowie die aufwändige Antragsstellung sind große Hürden.

Damit Klimaschutz nicht nur im Ausnahmefall gelingt, muss hier Verbindlichkeit geschaffen werden. Wirtschaftliche Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht als „Nice to have“ gelten, sondern müssen als „Must have“ anerkannt werden. Erst diese Deklaration gibt den Trägern die erforderliche Sicherheit, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.

Auftrag des Parlaments zur Berücksichtigung des Klimaschutzes in den Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege

Am 25. Oktober 2023 hat das Plenum im Landtag NRW den Antrag 18/2544 der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Darin wird die Landesregierung beauftragt, „Klimaschutz bei Einrichtungen der Wohlfahrtspflege und gemeinnützigen Vereinen bei der Änderung der betreffenden Gesetze zur Investitionsförderung (z. B. Altenpflegegesetz) zukünftig zu berücksichtigen". Am 30. Januar 2025 hat das MAGS einen Erlass im Vorgriff auf eine APG-Änderung herausgegeben. In einer Informationsveranstaltung am 20. Februar 2025 hat das MAGS erklärt, damit den Koalitionsvertrag und den Parlamentsbeschluss umzusetzen. Prämisse sei dabei, Bewohner*innen stationärer Pflegeeinrichtungen und Sozialkassen nicht zusätzlich zu belasten.

Erlass zu Ermittlung der anerkennungsfähigen Aufwendungen stationärer Pflegeeinrichtungen gemäß § 10 APG NRW zur Anerkennungsfähigkeit von Aufwendungen für bauliche Maßnahmen zum Klimaschutz

Der Erlass verpflichtet, für bauliche Maßnahmen der Energieeffizienz vorrangig zur Verfügung stehende öffentliche Förderung zu nutzen, insbesondere die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), und stellt klar, dass diese bei der Ermittlung der anerkennungsfähigen Aufwendungen gemäß § 10 APG NRW mindernd zu berücksichtigen sind. Eine Garantie für die Anerkennung der verbleibenden Finanzierungslücke als anerkennungsfähige Aufwendungen gemäß APG gibt der Erlass weiterhin nicht. Die Sachlage, dass öffentliche Bundesförderung zu nutzen ist, ist keinesfalls neu. Die Festschreibung der Nutzung der öffentlichen Förderung in dem Erlass ist allerdings ein Novum. Nach der Veröffentlichung des Erlasses fehlen weiterhin Bestimmungen zur Anerkennungsfähigkeit von baulichen Maßnahmen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes im APG.

Bauliche Maßnahmen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes in Bestandsgebäuden, um die es in erster Linie geht, deklariert der Erlass gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 APG nur dann als anerkennungsfähig, wenn die Maßnahmen aufgrund der Umsetzung zwingender gesetzlicher Vorgaben erforderlich sind. Diese wären dann nicht an Angemessenheitsgrenzen gebunden und zwingend anerkennungsfähig, also ein „Must have“. Problematisch ist dabei, dass es keine konkreten zwingenden gesetzlichen Vorgaben gibt, z.B. zur Installation von PV-Anlagen auf Bestandsgebäuden. Damit läuft diese Bestimmung ins Leere. Eine zukünftige zwingende gesetzliche Vorgabe könnte die bis Ende Mai 2026 in nationales Recht zu überführende EU-Gebäuderichtlinie sein. Wie konkret diese Überführung in nationales Recht mit welchen Auswirkungen auf die zwingende Anerkennungsfähigkeit von Maßnahmen im APG oberhalb der Angemessenheitsgrenze wird, ist völlig ungewiss. Diese Bestimmung schafft also allenfalls die vage Aussicht auf Klimaschutz durch zukünftiges Recht.

Der Erlass sieht ferner vor, dass Maßnahmen über die Umsetzung zwingend erforderlicher gesetzlicher Vorgaben hinaus unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 Satz 2 im Rahmen der Angemessenheitsgrenzen anerkannt werden können. Damit handelt es sich um „Nice to have“-Maßnahmen, deren Anerkennung im Ermessensspielraum der Landschaftsverbände liegt. Das ist auch heute schon möglich. Dass es zu einer Anerkennung kommt, erleben wir aber nur in absoluten Ausnahmefällen. Selbst energetische Maßnahmen, die wirtschaftlich und sparsam sind, weil mittelfristige Einspareffekte bei den Energiekosten kurzfristige Kosten (über-)kompensieren, unterbleiben deshalb und das für den Klimaschutz so wertvolle Potenzial bleibt ungenutzt. Auch diese Bestimmung bringt den Klimaschutz somit nicht voran.

Wirklich neu ist die Bestimmung, dass der Aufwand für die Erstellung von Energiekonzepten und individuellen Sanierungsfahrplänen, der nicht durch die Gewährung einer öffentlichen Förderung finanziert wird, als betriebsnotwendiger Aufwand anzuerkennen ist. Ob das aber von den Trägern in Anspruch genommen wird, ist fraglich, wenn nicht verbindlich geregelt ist, ob die darin empfohlenen Maßnahmen überhaupt umgesetzt werden können.

Fehlende Nachhaltigkeit ist eine Insolvenzfalle für die Sozialwirtschaft

Unterlassene Investitionen in bauliche Maßnahmen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes gefährden nicht nur das Erreichen der Klimaschutzziele, sondern bergen ernsthafte Insolvenzrisiken für die gesamte Branche. Die Banken sind gehalten, bei der Wertermittlung von Immobilien für ihre Beleihung den Nachhaltigkeitsaspekt stärker zu berücksichtigen. Das wird dazu führen, dass nicht energetisch qualifizierte Immobilien mittelfristig nur mit erheblichen Mehrkosten oder gar nicht mehr beliehen und infolgedessen nicht mehr im notwendigen Umfang instandgehalten werden können. Der Brüsseler Kreis bezeichnet das als Insolvenzfalle für die Sozialwirtschaft. Damit gerät die Daseinsvorsorge in Gefahr.

Fazit: Verbindliche Regelungen sind ein „Must have“

Verbindliche „Must have“-Regelungen ohne behindernde Bedingungen im APG sind ein Muss, weil Maßnahmen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes

  1. einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Landes Nordrhein-Westfalen leisten,
  2. langfristig keine zusätzlichen Kosten für die Bewohner*innen und die Sozialkassen entstehen, sondern kurzfristigen Kosten mittelfristig sinkende Ausgaben gegenüberstehen und steigende Energie- und CO2-Kosten vermieden werden und
  3. den Werterhalt sowie die Beleihbarkeit der Immobilien und damit den Erhalt der Pflegelandschaft sicherstellen.

Die Klassifizierung betriebswirtschaftlich effizienter Klimaschutzmaßnahmen als Must-have ist wirtschaftlich und ökologisch geboten – innerhalb der Angemessenheitsgrenzen und darüber hinaus. 

Alternativ dazu könnten nur Sonderförderprogramme von Land, Bund und EU helfen, das Potenzial zu erschließen. Diese wären selbstverständlich auch in Ergänzung zur Must-have-Klassifizierung eine hilfreiche Unterstützung zur Erreichung des gemeinsamen Ziels.

 

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