Grundsätzlich begrüßt die LAG FW NRW den Gesetzentwurf der Landesregierung (Drucksache 18/9770), der vor dem Hintergrund des am 10.Juni 2021 in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz erfolgt ist. Zu einzelnen Paragrafen der „Änderung des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes“nimmt die LAG FW NRW wie folgt Stellung:
§ 2 Jugendämter in kreisangehörigen Gemeinden
Die LAG FW NRW begrüßt ausdrücklich die geplanten Änderungen in § 2, wonach zukünftig nur große kreisangehörige Städte ab 60.000 Einwohnern die Möglichkeit erhalten, ein Jugendamt zu gründen. Wir gehen davon aus, dass dadurch eine Qualitätssteigerung der Leistungen für die Adressant*innen der Kinder- und Jugendhilfe erfolgt, ebenso wie eine größere Verlässlichkeit.
In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 186 Jugendämter, das sind annähernd ein Drittel aller Jugendämter in der Bundesrepublik. Die Vielzahl an Jugendämtern führt u.a. dazu, dass Adressant*innen der Kinder- und Jugendhilfe in einem Landkreis beispielsweise sechs oder sieben Jugendämtern gegenüberstehen, deren Leistungen unterschiedlich sind. Der Freien Wohlfahrtspflege ist es ein Anliegen, dass sich Adressat*innen in einer klaren, transparenten Struktur bewegen können und Leistungen landesweit eine einheitliche Qualität aufweisen.
§ 20 Erlaubnis und Untersagung des Betriebs einer Einrichtung
Zu Abs.2 Satz 2
In der aktuell gültigen Fassung hat das Landesjugendamt sowohl das zuständige Jugendamt als auch den jeweiligen zentralen Träger (überörtlicher Dach-/Spitzenverband) der freien Jugendhilfe bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zu beteiligen. Dieses bewährte Mehraugenprinzip (zwei öffentliche Akteure und zwei freie Akteure) im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis soll nun in eine „Kann-Regelung“ überführt werden, für deren Umsetzung allein der freie Träger die Verantwortung trägt. Damit wird die Position der zentralen Träger der freien Jugendhilfe geschwächt, denn sie haben damit keinen Anspruch mehr gegenüber der betriebserlaubniserteilenden Stelle, am Verfahren beteiligt zu werden.
Die Begründung für diese Änderung liefert keine fachlichen Argumente für die qualitative Absenkung der bisherigen Standards im Betriebserlaubnisverfahren in Nordrhein-Westfalen. Der Verweis auf das Bundesgesetz wirkt konstruiert, da eine entsprechende Beteiligung bereits seit über 30 Jahren nicht über das SGB VIII geregelt worden ist. Genau aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen seinerzeit die Beteiligung der zentralen Träger im Ausführungsgesetz zum SGB VIII implementiert. Der Gesetzgeber sollte diese seit über 30 Jahren bewährte Regelung beibehalten und sich damit für eine eindeutige Rollenaufteilung mit starken Partner*innen (auch) hinsichtlich des strukturellen Kinderschutzes aussprechen.
Wir fordern den Gesetzgeber daher auf, von dieser Änderung abzusehen und die ursprüngliche Gesetzesfassung an dieser Stelle beizubehalten.
§ 21 Betreuungskräfte
Zu Satz 2:
Die Formulierung zur Zulassung weiterer Personen ist nicht eindeutig. Der Gesetzgeber sollte sich den Anforderungen des gravierenden Fachkräftemangels stellen und eine klare Position zu den Maßnahmen der nordrhein-westfälischen Landesjugendämter zur Erweiterung des sozialpädagogischen Personals durch Qualifizierungsmaßnahmen (A+) sowie der Lockerung der Anforderungen an die Nachtbereitschaft einnehmen.[1]
§ 24 Ombudsstellen
Die LAG FW NRW begrüßt ausdrücklich die Änderungen in § 24 und das Vorhaben, dass das Land dem Sicherstellungsauftrag gem. § 9a SGB VIII nachkommt. Wir schließen uns entsprechenden Ausführungen der Ombudschaft Jugendhilfe NRW an und empfehlen den Begriff „kann“ in § 24 Satz 1 zu streichen und stattdessen die Formulierung „fördert weitere Ombudsstellen“ zu wählen. Da Beratung und Vermittlung auch durch überregionale Ombudsstellen erfolgen, empfehlen wir in § 24 Abs. 2 Satz 1 eine Ergänzung in folgender Form: „Die (über)regionalen Ombudsstellen arbeiten unabhängig und fachlich nicht weisungsgebunden“. Darüber hinaus stimmt die LAG FW NRW der Forderung der Ombudschaft Jugendhilfe Nordrhein-Westfalen zu, dass Zugänge immer barrierefrei sein müssen und sich dieses auch im Gesetzestext wiederfinden muss.
[1] Siehe hierzu: Aufsichtsrechtliche Grundlagen - Fachkräftemangel in betriebserlaubnispflichtigen (teil-)stationären Einrichtungen der Jugendhilfe und sonstigen betreuten Wohnformen gem. §§ 45 ff. SGB VIII.