Während bundesweit immer mehr Arbeitgeber über einen Azubi-Mangel klagen, gibt es in Nordrhein-Westfalen mehr Bewerber als Ausbildungsplätze. So kamen von Oktober 2017 bis September 2018 auf knapp 134.000 gemeldete Bewerber etwa 116.000 gemeldete Ausbildungsstellen. „Das ist besorgniserregend, zumal es bundesweit erstmals seit 1994 wieder mehr Lehrstellen als Bewerber gab“, erklärt der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Christian Heine-Göttelmann.
Trotz aller Bemühungen blieben laut Arbeitslosenreport NRW mehr als 7.000 Bewerber zum Stichtag 30. September 2018 gänzlich unversorgt. Weitere 15.000 Bewerber waren ebenfalls noch auf der Suche nach einer Ausbildung, nahmen aber etwa an berufsqualifizierenden Maßnahmen teil. Insgesamt also fanden rund 22.000 Bewerber nicht die gewünschte Lehrstelle. Besonders betroffen waren Jugendliche mit Hauptschulabschluss. Nicht einmal jeder zweite schaffte den direkten Übergang in eine Lehre. Mit dem Argument fehlender Ausbildungsreife gäben viele Betriebe Hauptschülern keine Chance mehr, kritisiert Heine-Göttelmann. „Es birgt sozialen Sprengstoff, wenn Unternehmen sich über Fachkräftemangel beschweren, sich aber von Hauptschülern abwenden.“
Zudem bildet ohnehin nur ein knappes Viertel aller Betriebe in NRW aus. Dabei hätten die Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung, einen solidarischen Beitrag zur Sicherung der Zukunft junger Menschen zu leisten, mahnt der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Wer schon an einer Ausbildung scheitere, sei Studien zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit auch in höherem Alter von Arbeitslosigkeit betroffen. In NRW lag die Arbeitslosenquote von Menschen ohne Berufsabschluss 2018 bei 21,9 Prozent, bei denjenigen mit abgeschlossener Berufsausbildung dagegen nur bei 3,4 Prozent.
Laut Arbeitslosenreport gab es in Nordrhein-Westfalen im September 2018 über 33.000 Jugendliche unter 25 Jahren im sogenannten Langzeitleistungsbezug, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung suchen. Ihre Zahl ist in den letzten drei Jahren um rund zwei Prozentpunkte gestiegen. Gleichzeitig sind die ausbildungsvorbereitenden und –begleitenden Maßnahmen gesunken.
„Jugendliche sollten jede nötige Unterstützung erhalten, um sich beruflich qualifizieren zu können. Daher fordern wir eine Ausweitung ausbildungsvorbereitender und –begleitender Maßnahmen“, so Heine-Göttelmann. Außerdem müsse die Berufseinstiegsbegleitung weitergeführt werden, die rund 13.000 Schüler in NRW zwischen November 2017 und Oktober 2018 beim Übergang in Ausbildung und Beruf förderte.
An die Betriebe appelliert Heine-Göttelmann, sich auch für Jugendliche mit Hauptschulabschluss zu öffnen. „Der Staat bietet Betrieben die nötige Unterstützung an, zum Beispiel mit der Assistierten Ausbildung. Es gibt keine Ausreden mehr für mangelnde Ausbildungsbereitschaft“, betont der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW.
Hintergrund
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz.
Der Report mit allen Daten: <link http: www.arbeitslosenreport-nrw.de>www.arbeitslosenreport-nrw.de