„Durch die Aufnahme der geflüchteten Menschen aus der Ukraine in das SGB II wird nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Leistungsberechtigten sukzessive um ca. 400.000 steigen. Und zugleich wird die geplante Absenkung der Mittel für die Jobcenter unter anderem mit einer sinkenden Zahl von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten begründet? Das passt nicht zusammen“, warnt Josef Lüttig, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Arbeit / Arbeitslosigkeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Hinzu kommt: Bislang ist es noch nicht gelungen, den sprunghaften Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit durch die Corona-Pandemie zu kompensieren. Im März 2020, dem letzten Monat vor der Pandemie, waren ca. 709.000 der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten langzeitarbeitslos, Ende Juni 2022 waren ca. 906.000 Menschen länger als ein Jahr nicht erwerbstätig, davon mehr als 200.000 Menschen bereits vier Jahre und länger.
„Gerade jetzt wären gute Beratung sowie individuelle Unterstützung und Förderung der Menschen im SGB II mehr als nötig. Nun zu kürzen ist zu kurz gedacht und konterkariert die ursprünglich angedachten Pläne der Regierung“, so Lüttig. Der Haushaltsentwurf sieht eine Reduzierung der Mittel vor, obwohl die Bundesregierung 2021 in ihrem Koalitionsvertrag viele Reformbedarfe im SGB II aufgegriffen und damit deren Umsetzung in der Legislaturperiode anvisiert hat. Beispiele sind die Entfristung und Weiterentwicklung des Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16 i SGB II), das Bürgergeld und diverse Weiterentwicklungen der Förderangebote durch die Reform der Sanktionspraxis.
„140.000 der 906.000 langzeitarbeitslosen Menschen müssen aktuell seit mindestens fünf Jahren von SGB II-Regelsätzen leben. Angesichts des Mangels an Arbeitskräften und Fachkräften ist unverständlich, warum die Erfahrungen der Umsetzung, insbesondere der ersten Evaluation des Teilhabechancengesetzes, nicht genutzt werden, um Teilhabe- und Integrationschancen zu eröffnen und weiterzuentwickeln, wirksam flankiert durch den finanziellen Anreiz des geplanten Weiterbildungsbonus“, kritisiert Lüttig.
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Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW
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