„Das Fehlen jeglicher Standards wäre in anderen Feldern pädagogischer Arbeit undenkbar.“
Für Elternverbände, Fachkräfte und Träger der Offenen Ganztagsschulen war das zu erwartende Ausführungsgesetz lange mit der Hoffnung auf personelle und räumliche Mindeststandards verbunden. Denn bisher beruht der Offene Ganztag in NRW nur auf einem Erlass, der im Hinblick auf Räume, Personalschlüssel, Gruppengrößen oder die fachliche Qualifizierung der Mitarbeitenden keinerlei Vorgaben macht. „Das Fehlen von Standards wäre in anderen Feldern der pädagogischen Arbeit mit Kindern - etwa den Hilfen zur Erziehung oder den Kindertagesstätten – völlig undenkbar“ kritisiert Tim Rietzke von der Freien Wohlfahrtspflege in NRW. „Von einer einheitlichen hohen fachlichen Qualität des Offenen Ganztags kann in NRW also keine Rede sein.“ Weiter konkretisiert Rietzke: „In der Praxis führt der Verzicht auf personelle und qualitative Standards in Offenen Ganztagsschulen teils zu unhaltbaren Situationen, in denen zum Beispiel eine Mitarbeiterin 50 Kinder und mehr beaufsichtigen muss.“
Hoffnung auf Verbesserung der OGS hat sich getrübt
Die von vielen Menschen in NRW geteilte Hoffnung auf eine qualitative Verbesserung der Offenen Ganztagsschulen im Zuge des Rechtsanspruchs hat sich inzwischen getrübt. In einem Interview mit der WAZ am 02.12.2023 wirbt Schulministerin Feller im Hinblick auf den Rechtsanspruch „dafür, dass wir uns ehrlich machen und keine Personalschlüssel, Gruppengrößen und Betreuungszeiten vorschreiben, die wir bei dem gegenwärtigen Fachkräftemangel ohnehin nicht werden einhalten können.“ Ähnlich äußert sich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in NRW: In einem aktuell veröffentlichten Positionspapier zur Umsetzung des Rechtsanspruchs fordert sie, „dass zunächst bis zum 31.07.2030 auf die Setzung weiterer Standards verzichtet wird“.
„Als Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW wissen wir einerseits um die unzureichenden baulichen Gegebenheiten in Grundschulen und den Fachkräftemangel, der die Einführung von Standards im Offenen Ganztag erheblich erschwert. Andererseits sollten diese Herausforderungen nicht dazu führen, damit den Verzicht auf Standards im Offenen Ganztag zu legitimieren“ kritisiert Rietzke die Aussagen.
Nicht nur Betreuung, sondern wichtiger Bildungsort
Die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Offenen Ganztagsschulen in NRW ist in Teilzeit beschäftigt. Viele Mitarbeitende würden Aufstockungen der wöchentlichen Stundenzahl annehmen. Sie hätten dann mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung ihrer Angebote, für Gespräche mit Eltern und Lehrerkräften, könnten sich bei Personalausfällen besser gegenseitig vertreten und könnten mehr dem politischen gewollten Bildungsauftrag gerecht werden: Damit die OGS nicht nur als Betreuung, sondern vielmehr als wichtiger Bildungsort wahrgenommen wird. Nicht zuletzt könnte auf dieser Grundlage im Sinne des Kinderschutzes ein verbindlicher Personalschlüssel eingeführt werden. Die Qualität der Offenen Ganztagsschulen in NRW könnte so erheblich verbessert werden, auch ohne neues Personal einstellen zu müssen. Voraussetzung hierfür wäre allerdings der politische Wille, mehr Geld in Offene Ganztagsschulen zu investieren.
Weiterführende Informationen
Handlungsbedarfe, Positionen und Forderungen der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen zur Finanzierung der Offenen Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen finden Sie weiterführend in unserem Positionspapier: