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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Finanzierung der Offenen Ganztagsschule im Primarbereich (OGS)

Positionspapier der Freien Wohlfahrtspflege in NRW

Vorbemerkung
Offene Ganztagsschulen bieten ein umfassendes und ganzheitliches Bildungs-, Erziehungs-, Betreuungs- und Förderangebot für alle Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen. Zentral für das Gelingen eines qualitativ hochwertigen Angebotes an Offenen  Ganztagsschulen  ist  die  intensive  Zusammenarbeit  zwischen  Schulen  und Partnern aus der Kinder- und Jugendhilfe. Trotz unterschiedlicher Ausgangslagen von Schule und Jugendhilfe verfolgen beide Systeme in der Kooperation das gemeinsame Ziel, Bildung, Erziehung und Betreuung für junge Menschen zu organisieren, qualitativ gute Angebote zu entwickeln und individuelle Förderung sowie Inklusion zu ermöglichen. 
 
Die Freie Wohlfahrtspflege begrüßt das Anliegen der Landesregierung, diese Kooperation auch zukünftig weiterzuführen und zu intensivieren. Mit rund 80% stellen Träger mit Anschluss an die freie Wohlfahrtspflege den weitaus größten Anteil an Organisationen und Institutionen, die sich für die Umsetzung und Gestaltung der außerunterrichtlichen Bereiche in der Offenen Ganztagschule in NRW (OGS) verantwortlich zeichnen.
Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen (LAG FW NRW) positioniert sich vor diesem Hintergrund mit den folgenden Standpunkten zur aktuellen Situation der OGS.


Aktuelle Situation

Als positiv bewertet die LAG FW NRW, dass das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommunen bzw. Kreise sich gemeinsam für eine Verbesserung der finanziellen Situation der OGS einsetzen. Insbesondere der Einstieg in eine dynamische jährliche Anhebung der pauschalen Festbeträge ab 2016 stellt ein richtiges Signal und einen wichtigen Schritt zur Sicherung der bestehenden Angebote dar.
 
Gleichwohl kann auch unter den neuen Rahmenbedingungen weiterhin nicht von einer auskömmlichen Finanzierung der OGS gesprochen werden. So sind die eingesetzten Pauschalen zzgl. des per Erlass vorgeschriebenen kommunalen Anteils nach wie vor insgesamt unzureichend, um ein qualitativ und fachlich angemessenes Angebot gemäß dem „Grundlagenerlass Ganztagsschule“ vorzuhalten. Die aktuelle Erhöhung der Pauschalen fängt weder die Tarifsteigerungen seit der letzten Erhöhung im Jahr 2011 auf, noch ist sie dazu geeignet, die stetig gewachsene strukturelle Unterfinanzierung der OGS auszugleichen. Auch die dynamische Anhebung der Festbeträge um 1,5% ab dem 01.08.2016 ist nicht hinreichend, um fachlich qualifiziertes und tariflich entlohntes Personal zu finanzieren und langfristig zu halten. So zieht allein der Übergang langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine neue Erfahrungsstufe eine Entgelterhöhung zwischen 6% und 11% nach sich.  Die sich seit mehreren Jahren abzeichnenden Problemlagen, wie z.B. Beschäftigung in Teilzeitstellen mit niedriger Wochenstundenzahl, Beschäftigung gering qualifizierten Personals, niedrige Entlohnung und eine damit einhergehende überdurchschnittliche Personalfluktuation, können unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht gelöst werden.  
 
Die Qualität der Ganztagsschulen hängt vorrangig von den freiwilligen Leistungen der einzelnen Kommunen bzw. Kreise ab. Große regionale Ungleichheiten bzgl. Finanzierung, Standards und Strukturen sind die Folge, die durch die pauschale Erhöhung der kommunalen Pflichtanteile nicht ausgeglichen werden. Das Land NRW ist gefordert, eine  angemessene  Finanzierungsgrundlage  für  Ganztagsschulen,  unabhängig  vom Finanzstatus der Kommunen bzw. Kreise zu gewährleisten.  


Geeignete Rahmenbedingungen schaffen

Aus Sicht der LAG FW NRW bedarf es landesweiter verbindlicher Mindeststandards. Dies setzt insbesondere für die Bereiche Personal sowie räumliche und sachliche Ausstattung eine auskömmliche Finanzierung voraus. Die festgelegten Standards müssen gesetzlich verankert sein.
 
Personal
Offene Ganztagsschulen sollten gekennzeichnet sein durch multiprofessionelle Teams von Schule und Jugendhilfe, die auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Neben Lehrkräften muss ein qualitatives Ganztagsangebot durch ausgebildete pädagogische Fachkräfte (Abschluss der  Erzieher/-in, Sozialpädagogik oder vergleichbare Qualifikation) gekennzeichnet sein. Analog zu den Regelungen des Kinderbildungsgesetzes NRW fordern wir auch in Offenen Ganztagsschulen ein Fachkräftegebot sowie einen verbindlich festgelegten Personalschlüssel pro Gruppe. Dazu bedarf es auch einer konkreten  Definition  des Begriffs  „Gruppe“,  der  im  „Grundlagenerlass  Ganztagsschule“ nicht festgelegt ist.  
 
Ergänzend können auch weitere pädagogische und nicht-pädagogische Kräfte (wie Kinderpfleger/-innen, Studentinnen und Studenten, Quereinsteiger/-innen etc.) im Offenen Ganztag tätig sein. Diese sollten durch geeignete Fort- und Weiterbildungsangebote auf ihre Arbeit in Ganztagsschulen vorbereitet und (weiter)qualifiziert werden.
Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes OGS kommt auch der Gestaltung der Mittagszeit eine besondere Bedeutung zu. Um dies zu gewährleisten, ist für die Bereitstellung des Mittagessens unterstützendes Küchenpersonal notwendig. 
 
Im Rahmen der Dienstzeit müssen sowohl für Lehrkräfte als auch für pädagogisches Personal Zeiten für Vor- und Nachbereitung, Teambesprechungen sowie gemeinsame Fort- und Weiterbildungen einberechnet werden.

Räumliche Ausstattung
Es bedarf dringend eines verbindlichen Raumkonzeptes für Offene Ganztagsschulen, das alle am Standort der Schule zur Verfügung stehenden Räume  (Klassenräume, Mehrzweckräume,  Sporthallen,  Schulhof  etc.)  einbezieht  und  sowohl  die  Arbeit  im Klassen- bzw. Gruppenverbund als auch die Arbeit in Kleingruppen ermöglicht. Auch der weitere Ausbau von Mensen ist für die qualitative Weiterentwicklung von Offenen Ganztagsschulen dringend erforderlich. Unter den aktuellen Gegebenheiten ist eine Mehrfachnutzung  von  Klassenräumen  aus  pädagogischer Sicht  nicht sinnvoll.  Vielmehr braucht es Funktionsräume (Kreativräume, Ruhezonen etc.) und eine Ausstattung mit multifunktionalem Mobiliar, welches sowohl für den Unterricht als auch für außerunterrichtliche Phasen nutzbar ist. Im Zuge der Inklusion bedarf es zudem einer Überprüfung der vorhandenen Räumlichkeiten im Sinne der Barrierefreiheit und deren Berücksichtigung bei Neu- und Umbauten sowie sonstigen Anschaffungen. Weiterhin muss an allen Offenen Ganztagsschulen für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte ein  Büroraum  für  Verwaltungstätigkeiten  (Vor-  und  Nachbereitung,  gemeinsame Dienstbesprechungen, Elterngespräche etc.) zur Verfügung stehen.

Sächliche Ausstattung
Die sächliche Ausstattung der einzelnen Offenen Ganztagsschulen sollte sich am jeweiligen  Gesamtkonzept  orientieren.  Für  Anschaffungen  wie  Spiel-  und  Beschäftigungsmaterial, Ferienaktionen etc. ist eine  jährliche Sachkostenpauschale festzulegen.


Notwendiger Finanzrahmen Offene Ganztagsschule – Kernangebot
Zur Ermittlung einer angemessenen Finanzierung werden die folgenden Berechnungsgrundlagen für eine Gruppe angelegt:

  • Gruppengröße: 25 Kinder
  • Eine Fachkraft: 27,5 Wochenstunden¹
  • Eine Ergänzungskraft: 15 Wochenstunden 
  • Leitungsfreistellung: 5 Wochenstunden
  • Küchenpersonal: 12,5 Wochenstunden
  • Sachkostenpauschale: 1.000 € pro Jahr 
  • Overheadkosten: 10% der Gesamtkosten 

Auf  Basis des Tarifvertrags  für den  öffentlichen  Dienst  (TVöD  – Sozial-  und  Erziehungsdienst) ergeben sich jährliche Kosten von 74.470,28 € pro Gruppe/Jahr. Dies entspricht Kosten von 2.978,81 € pro Kind/Jahr. ²


Zu beachten ist:

Bei der vorliegenden Berechnung handelt es sich um ein Kernangebot. Dieses umfasst ausschließlich den Mindestumfang für die außerunterrichtlichen Angebote in der OGS während der Schulzeit und der genannten Ferienangebote. Es stellt eine absolute Untergrenze dar. 
 
Eine jährliche Überprüfung der Zuschüsse anhand der jeweiligen Indexsteigerungen ist verbindlich zu regeln.   
 
Zusätzliche Angebote, bspw. in den Randzeiten oder während der Ferien, besondere Freizeit- und Förderangebote oder Angebote im Rahmen der Inklusion von Kindern mit besonderem Förderbedarf sind mit weiteren (Personal-)Kosten verbunden und müssen zusätzlich finanziert werden. Overheadkosten sind entsprechend anzupassen.

¹Die Wochenstunden berechnen sich wie folgt: Während der Schulzeit täglich 4,5 Std. Betreuungszeit und 0,5 Std. Vor- und Nachbereitungszeit (= 25 Std./Woche) sowie zusätzlich 6 Wochen Ferienbetreuung für 50% der Kinder mit erhöhter Wochenstundenzahl. 
²Die zugrundeliegende Berechnung können Sie der beigefügten Anlage entnehmen.

 

Im Positionspapier finden Sie die Berechnung für eine Gruppe und die Berechnung für 6 Gruppen (150 Kinder)

Das komplette Positionspapier finden Sie hier zum Download sowie in der rechten Spalte.