Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch sollte daher neben der medizinischen auch eine flächendeckende Versorgung an psychosozialer und psychologischer Beratung zur Verfügung gestellt werden.
Die Aufarbeitung innerpsychischer und paardynamischer Konfliktlagen, die schon vor, während und nach einer Kinderwunschbehandlung zu einer schwerwiegenden Belastung werden können, ist ein wesentlicher Bestandteil des langwierigen Prozesses und wird durch die von ärztlicher Seite angebotene medizinische Beratung nicht abgedeckt.
Die Erfolgsquote für eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung liegt bei ca. 50 Prozent. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, den Prozess durch psychosoziale Beratung zubegleiten, um:
- zu informieren, aufzuklären und die Phasen des Kinderwunsches zu unterstützen.
- die Bewältigung der Diagnose ‚Infertilität‘ und der aktuellen Kinderlosigkeit bzw. auch die Realität einer dauerhaften Kinderlosigkeit anzuerkennen.
- den Entscheidungsprozess für oder gegen (weitere) Behandlungen zu unterstützen bzw. als Entscheidungshilfe zu dienen.
- Bewältigungskompetenzen zu aktivieren, d.h. Akzeptanz zu fördern mit einer dau- erhaften Kinderlosigkeit zurecht zu kommen.
- einen Plan „B“ oder „C“ zu erarbeiten.
- die Paarkommunikation, die Kommunikation mit dem Umfeld, mit der Familie und den Ärzt*innen zu verbessern.
- möglichen Paarkonflikten vorzubeugen bzw. diese zu vermindern.
Wichtig ist daher auch eine verbesserte Kooperation und Vernetzung von medizinischen und beraterischen Angeboten. Nur so können Fragestellungen zum Umgang mit höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften, Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik, sowohl medizinisch als auch psychologisch geklärt werden.
Psychosoziale Beratung ist ergebnisoffen und konstruktiv und somit eine notwendige Ergänzung zur reproduktionsmedizinischen Aufklärung (BZgA).
Der Zugang zur Kinderwunschbehandlung sollte nicht nur verheirateten Paaren oder auf Dauer angelegten heterosexuellen Partnerschaften ermöglicht werden, sondern auch alleinstehenden oder in einer lesbischen Partnerschaft lebenden Frauen.
Wir befürworten, dass die Inanspruchnahme nicht von der wirtschaftlichen Lage der Betroffenen abhängen sollte. Auch mit der landeseigenen Förderung muss ein nicht unerheblicher Eigenanteil von den Paaren aufgebracht werden. Hierzu nochmals aus dem Forschungsbericht des KompKi:
„Trotz der verschiedenen Fördermöglichkeiten entstehen in der Regel größere bis hohe Kosten für die Betroffenen, die selbst bereitzustellen sind. Verschiedene internationale Studien bestätigen, dass der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen vom Bildungsstand und sozioökonomischen Faktoren abhängig ist (Goisis et al. 2023; Seiz et al. 2023; Passet-Wittig und Greil 2021).“
Neben der Unterstützung der medizinischen Kinderwunschbehandlung muss auch die Finanzierung der Angebote zur psychosozialen, medizinischen und psychologischen Beratung unabhängiger Beratungsstellen sichergestellt sein.