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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Wohlfahrtspflege: Staat tut mehr für Arbeitslose, aber nicht alle Mittel kommen zielgerichtet an

Seit 2015 sind die finanziellen Mittel gestiegen, mit denen Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher bei der Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit unterstützt werden. „Das ist nach den enormen Kürzungen vor zehn Jahren eine vernünftige Entwicklung“, kommentiert der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Dr. Frank Johannes Hensel den neuen Arbeitslosenreport. Es fehle allerdings die Transparenz, wo diese Mittel mit welchen Prioritäten eingesetzt werden. Die Jobcenter sind aufgefordert, sich sehr aktiv für die besonders benachteiligten Personen einzusetzen.

2019 haben die Jobcenter in NRW für die Wiedereingliederung von Menschen im Hartz-IV-Bezug in den Arbeitsmarkt 430 Millionen Euro mehr zur Verfügung gehabt als noch 2015. Allerdings geben die Jobcenter immer noch einen erheblichen Teil der Mittel nicht oder nicht für den eigentlichen Zweck aus: „127 Millionen Euro der vom Bund dafür zur Verfügung gestellten Mittel gaben die Jobcenter nicht für Eingliederungsleistungen aus, das ist höchst ärgerlich“, sagt Hensel. Zusätzliche 71 Millionen Euro wurden offiziellen Daten zufolge in die Verwaltungsetats umgeschichtet. „Wir Wohlfahrtsverbände fordern von den Jobcentern mehr Transparenz in der Mittelverwendung“, sagt Hensel.

Auch die Aktivierungsquote ist in NRW in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. 2015 lag die Quote der Arbeitslosen im SGB II, die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt aktiv unterstützt wurden, noch bei 15,6 Prozent, 2019 waren es immerhin schon 22,6 Prozent. „Diese Entwicklung ist erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch nicht einmal jeder vierte Mensch, der im Hartz-IV-System arbeitslos ist, mit einer aktiven Hilfe zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt wird“, sagt Hensel. Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW werde deshalb in ihrem Engagement gerade für die besonders Benachteiligten und Ausgegrenzten nicht nachlassen.

Hohe regionale Differenzen und verfehlte Ziele

Hensel verweist auf starke regionale Unterschiede: Deutlicher Spitzenreiter mit einer Aktivierungsquote von über 50,5 Prozent ist Wuppertal, doch auch in den Städten Bielefeld (35,4), Mönchengladbach (28,3) und Mülheim an der Ruhr (28,3) wird überdurchschnittlich viel für die aktive Eingliederung von Menschen im SGB II-Leistungsbezug getan. Schlusslichter sind dagegen eher ländlich geprägte Regionen wie der Rheinisch-Bergische Kreis (15,2), der Oberbergische Kreis (15,1) und der Kreis Euskirchen (13,0).

Ein weiteres Ergebnis des aktuellen Arbeitslosenreports ist erschreckend: Just die Personengruppen, die im Sinne des Gesetzes als besonders förderungsbedürftig gelten, nämlich Langzeitarbeitslose, ältere Menschen, schwerbehinderte Menschen, Berufsrückkehrende und Geringqualifizierte, werden immer noch unterdurchschnittlich bei der Integration ins Arbeitsleben unterstützt.

Kritik an starren Vorgaben und Ausschreibepraxis

Um diese besonders förderungsbedürftigen Menschen zu erreichen, sind Fachkräfte mit solider Ausbildung, Erfahrung und Professionalität gefragt, aber auch Innovationskraft, humanitäre Wertorientierung und eine gute Vernetzung im Sozialraum. „Hier liegen die Stärken der Freien Träger und Wohlfahrtsverbände!“, sagt Hensel. Die Wohlfahrtspflege kritisiere zu starre konzeptionelle Vorgaben bei der Entwicklung von Maßnahmen sowie Ausschreibungen nach Vergaberecht, bei denen häufig nicht der beste, sondern der billigste Anbieter gewinnt.

Hensel: „Ich appelliere an die Jobcenter, gerade in der Corona-Krise frühzeitig die Kooperation mit der Freien Wohlfahrtspflege zu suchen - auf der Landesebene, vor allem aber vor Ort. Lassen Sie uns gemeinsam Konzepte entwickeln, gemeinsam Maßnahmen planen und ausreichend flexible Angebote vorhalten, damit wir 2021 wirklich alle uns zur Verfügung stehenden Mittel effektiv im Sinne der Hilfebedürftigen einsetzen können!“

Hintergrund: Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.