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Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen e. V. | Detail

Corona-Krise trifft Arbeitslose und junge Menschen hart!

Junge Menschen, die ins Berufsleben starten wollen, und Arbeitslose im Hartz-IV-Bezug gehören schon jetzt zu den großen Verlierern der Corona-Krise. Fördermaßnahmen und Arbeitsmarktinstrumente wurden massiv eingeschränkt oder sogar komplett ausgesetzt. Das sind Erkenntnisse aus dem neuesten Arbeitslosenreport (3/2020) der Freien Wohlfahrtspflege NRW, der die „Arbeitsmarktpolitik in der Corona-Krise“ untersucht. Die Wohlfahrtspflege fordert größere Anstrengungen, um benachteiligte Jugendliche und Arbeitslose mit gravierenden Problemen auch in der Corona-Krise zu unterstützen.

Besondere Sorge bereitet der Freien Wohlfahrtspflege der Anstieg der Arbeitslosenzahl bei den 15- bis 25-jährigen, die von Januar (55.002) bis August (80.012) um satte 45,5 Prozent gestiegen ist. Hinter diesen Zahlen stehen Schülerinnen und Schüler, deren Vorbereitungen auf den Übergang in das Berufsleben durch den Lockdown und die Corona-Krise erheblich beeinträchtigt wurden. Schulunterricht fiel wochenlang aus, betriebliche Praktika wurden verschoben oder gleich ganz abgesagt. Auch Auszubildende der letzten Jahrgänge wurden nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht übernommen. „Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt und umgekehrt wird, steuert unsere Gesellschaft auf ein riesiges Problem hin“, warnt der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege, Dr. Frank Johannes Hensel.

Besonders problematisch: Gleichzeitig ging auch die Zahl der Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit radikal zurück. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, ausbildungsbegleitende Hilfen oder die sogenannte Einstiegsqualifizierung wurden runtergefahren. Im April 2020, also während des Lockdowns, verzeichnet die Statistik nur noch 830 Neuzugänge (gegenüber 1.708 im April 2019) in solche Maßnahmen. „Im August lagen diverse Maßnahmen der Jugendberufshilfe dann immer noch 29 Prozent unter dem Vorjahresstand – hier kann und muss schneller hochgefahren werden“, fordert Hensel.

Folgen des Lockdown wirken weiter

Auch erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Hartz-IV-System gehören zu den großen Verlierern in der Corona-Krise. Viele sind seit langen Jahren arbeitslos und haben beispielsweise mit einer psychischen Erkrankung, fehlenden Schul- oder Berufsabschlüssen, Wohnungslosigkeit oder hohen Schulden zu kämpfen. Beschäftigung schaffende Maßnahmen, etwa geförderte Arbeitsplätze oder Arbeitsgelegenheiten, stärken ihre soziale Teilhabe, helfen, den Tag zu strukturieren und führen sie allmählich wieder an den Arbeitsalltag heran. In der Corona-Krise können immer weniger Menschen eine solche Maßnahme beginnen. Im April 2020 wurden nur 3.433 Zugänge in Beschäftigung schaffende Maßnahmen verzeichnet, rund 60 Prozent weniger als im April 2019. Und obwohl der Lockdown seit Mai aufgehoben ist, gab es auch im August nur etwa halb so viele Zugänge in Beschäftigung schaffende Maßnahmen wie im Vorjahresmonat.

„Arbeitsgelegenheiten sind oft eine willkommene Möglichkeit, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, sagt Hensel. Für viele Teilnehmenden solcher Maßnahmen sei die plötzliche Schließung einer Radstation, einer Schulküche oder eines Sozialkaufhauses daher ein großer Schock und ein herber Verlust gewesen. „Von jetzt auf gleich fehlten ihnen persönliche Ansprache von Angesicht zu Angesicht und Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen, praxisnahe Förderung und nicht zuletzt Arbeit.“ Dass immer noch vielen Menschen die Rückkehr oder der Neuzugang in eine Maßnahme versperrt sei, obwohl der Lockdown aufgehoben wurde, ist für die Freie Wohlfahrtspflege nicht akzeptabel: „Dass das so ist, ist in vielen Fällen ebenso unverständlich wie ärgerlich“, unterstreicht Hensel.

Anstieg der allgemeinen Arbeitslosenquote „derzeit noch moderat“

Man müsse leider feststellen, dass mancherorts die Erreichbarkeit der Mitarbeitenden sowie die Beratungs- und Vermittlungsaktivitäten in den Jobcentern in NRW immer noch zu wünschen übriglasse. „Die Erfahrungen aus dem Lockdown zeigen die Bedeutung persönlicher Beratungskontakte und die Grenzen telefonischer Gesprächsformate“, sagt Hensel. Es sei an der Zeit, trotz der Einschränkungen durch den Gesundheitsschutz wieder mehr Fördermaßnahmen zu ermöglichen und Arbeitssuchende aktiv zu unterstützen.

Den Anstieg der allgemeinen Arbeitslosenquote in NRW bewertet die Freie Wohlfahrtspflege angesichts der Dramatik der weltweiten Krise als „derzeit noch moderat“. In NRW lag die Arbeitslosenquote im August 2020 bei 8,2 Prozent gegenüber 6,7 Prozent im Vorjahresmonat. Dennoch: „Jetzt müssen etliche Menschen mit schmerzhaften Einkommenseinbußen klarkommen, sei es aufgrund von Arbeitslosigkeit, sei es aufgrund von Kurzarbeit. Und niemand weiß, wie die Entwicklung weitergeht. Unsere gesellschaftlichen Solidaritätspotentiale waren und sind also gefordert - während des Lockdowns ebenso wie jetzt.“

Hintergrund: Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.